Andacht am 13.5.2020
Was ist Gemeinde? (13.5.)
Liebe Gemeinde,
„Na, jetzt geht es bei Ihnen ja auch wieder los.“ Das hat gestern mein Frisör zu mir gesagt. Ich hab´ ihm nicht ausführlich erklärt, wie es arbeitstechnisch bei mir in den letzten Wochen aussah. Nur, dass es nicht so war, als hätte ich nichts zu tun gehabt. Ganz im Gegenteil. Wenn ich mir in den Tagen nach Ostern tatsächlich etwas mehr Ruhe gegönnt habe, so war die Arbeitsbelastung zwar eine deutlich andere, aber kaum weniger als sonst.
Die Art der Arbeit hat sich verlagert. Vielmehr digital. Das geht morgens beim Schreiben der Andachten los, geht bei vielen Mails und Whatsapps weiter und das Telefonieren hat wieder einen anderen Stellenwert bekommen. Geburtstagsbesuche mache ich seit einiger Zeit nach vorheriger telefonischer Anmeldung wieder ‚physisch‘, wenn das mit dem nötigen Abstand möglich ist.
Trotz genügend Arbeit kam und komme ich mir manchmal wie ein Fisch auf dem Trockenen oder ein Tiger im Käfig vor. Es hat sich jetzt aber inzwischen doch einiges geändert. Wir können wieder planen, bereiten Gottesdienste vor u.a.m. - das tut gut.
Als Gemeinde-Pfarrer frage ich mich in diesen Wochen immer wieder, was und wie ist eigentlich unsere Gemeinde? Ich erlebe in diesen Tagen die Vielschichtigkeit davon, wie sich Gemeinde zusammensetzt auf besondere Weise. ‚Verbunden auf Distanz‘ – so zeigt sich unser Gemeindeleben zurzeit. Und genau betrachtet sind wir das auch in Nicht-Corona-Zeit. Das hört sich zunächst negativer an als es ist.
Ich hab´ nach wie vor dieses Gemeindebild in mir, das Gemeinde als ein gut vernetztes Gefüge zeigt, wo ‚man‘ sich kennt, auch füreinander da ist und um die Freuden und Sorgen der anderen weiß. Diese Prägung hab` ich von Klein auf erfahren. In meinem Geburtsort kannte ich wirklich jede/n (immerhin ca. 2000 Einwohner schon in den 60er Jahren). Die Kirchengemeinde hatte eine zentrale Funktion und Wichtigkeit im Dorfleben und hat das Miteinander geprägt. Dass das heute vielerorts nicht mehr so ist, können wir bedauern, ist aber nun einfach mal so.
Die Außenwirkung von Gemeinde liegt viel mehr an jeder/jedem Einzelnen als uns das manchmal bewusst ist. Natürlich haben wir Pfarrpersonen dabei eine zentrale Rolle. Aber es hängt – Gott sei Dank – nicht alles im kirchengemeindlichen Leben von uns ab. Das Zeugnis jedes Gemeindemitglieds ist wichtig!
Die fehlenden Kontakte und die ebenso fehlenden, noch vor Wochen selbstverständlichen Treffen zeigen auch, dass die Arbeit in den einzelnen Gruppen und bei den Treffen im Gemeindehaus von besonderer Wichtigkeit sind. Da lebt Gemeinde!
Für mein Wirken fehlt daher noch Grundlegendes. Aber am kommenden Sonntag wird das wieder etwas ‚normaler‘, wenn wir uns um 10:00 Uhr zum Gottesdienst treffen.
Ich hoffe, wir sehen uns da.
Bitte anmelden (Tel.nr. 77472) und Mund-Nase-Schutz mitbringen.
Bleibt behütet und achtsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
Die weiteren geplanten Gottesdienste:
Himmelfahrt, 21.5., auf dem Kirchberg, openair
Pfingsten, 31.5., auf dem Kirchberg, openair
Sonntag, 14.6., auf dem Kirchberg, openair
Sonntag, 28.6., Daubringen, Kirche
Alle Gottesdienste beginnen um 10:00 Uhr, openair-Gottesdienste fallen bei Regen aus.
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Wunsch frei! (12.5.)
Liebe Gemeinde,
was würde ich mir wünschen, wenn Gott zu mir sagt: „Du kannst mich bitten, um was du willst. Du bekommst es.“?
Hmm, ich würde schon eine Zeitlang nachdenken. Und mir fällt da eine Menge ein, gerade zurzeit. Natürlich würde ich wünschen, dass die Pandemie ein schnelles Ende findet. Meine Mutter würde ich schnell wiedersehen wollen. Gottesdienste könnten wieder ohne Einschränkung gefeiert werden, besonders die Konfirmationen, die in diesen Wochen in unseren Gemeinden dran sind. Ich hätte mir auch gewünscht, dass nicht so viel Durchgeknallte im Moment auf sich aufmerksam machen und ihre abstrusen und radikalen Ideen verbreiten wollen. So ein paar persönliche Wünsche wären auch dabei.
Der HERR sprach zu Salomo: Bitte, was ich dir geben soll! Salomo sprach: Du wollest deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, dass er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. 1. Könige 3,5.9
Vom König Salomo wissen wir, dass er ein sehr kluger und weiser Mensch war. Wer es schafft, in sprichwörtlichen Redewendungen verewigt zu sein, der muss schon was draufhaben. Und nicht selten wünschten wir uns, in kniffligen Situationen „ein salomonisches Urteil“ finden oder sprechen zu können.
Als ein Mensch, der in Sachen Politik und Macht unterwegs war, hätte er sich auch für Reichtum und noch größere Macht entscheiden können. Eine unbesiegbare Armee hätte sein Wunsch sein können, wobei es sowas damals noch gar nicht gab.
Wir spüren ziemlich schnell, die Bitten des Salomo‘ waren schon sehr klug ausgesucht.
Unsere Bitten und Wünsche sind doch oft von wenig Weitsicht geprägt. Das Beispiel Geld/Reichtum zeigt das schon. Wissen wir doch eigentlich, dass großer Reichtum selten zu größerem Glück führt, eher zum Gegenteil. Und der Wunsch z. B. nach vollumfänglicher Gesundheit ist sehr nachvollziehbar. Aber den Wert von Gesundheit weiß auch nur der zu schätzen, der Krankheit schon aushalten und durchstehen musste.
„Was gut und was böse ist“, das will Salomo verstehen. Was für ein kluger Wunsch. Ich will mich dem anschließen. Will Gott auch um Weisheit und Erkenntnis bitten. Es muss gar nicht so viel sein wie bei Salomo. Aber ich will nicht aufhören, danach zu fragen und Gott um seine Unterstützung bitten.
Vielleicht können wir das am Sonntag wieder gemeinsam im Gottesdienst tun:
Kirche Daubringen, 10:00 Uhr, Mund-Nase-Schutz nicht vergessen und wenn möglich vorher telefonisch anmelden.
Bleibt behütet und achtsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
Die weiteren geplanten Gottesdienste:
Himmelfahrt, 21.5., auf dem Kirchberg, openair
Pfingsten, 31.5., auf dem Kirchberg, openair
Sonntag, 14.6., auf dem Kirchberg, openair
Sonntag, 28.6., Daubringen, Kirche
Alle Gottesdienste beginnen um 10:00 Uhr, openair-Gottesdienste fallen bei Regen aus.
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Gottkontakt (11.5.)
Liebe Gemeinde,
manchmal braucht es bei mit etwas länger, bis ein Gedanke, eine Information so richtig angekommen ist. Das hat nicht unbedingt etwas mit meiner Intelligenz zu tun, wobei ich mir da meiner Begrenztheiten ziemlich im Klaren bin.
Manchmal spricht mich ein Thema aber einfach nicht gleich an.
„Gottkontakt“, so lautet das Stichwort der letzten Impuls-Post, die an alle evangelischen Haushalte kurz nach Ostern von unserer Landeskirche versendet wurde. Mich hat dieser Begriff zunächst gar nicht angesprochen. Erst heute Morgen. „Ja, den dürfen wir nicht verlieren, den Kontakt zu Gott“, so schoss es mir durch den Kopf. Und ich hab‘ für mich wiedermal festgestellt, dass mein ‚Gott-Kontakt‘ sehr stark von gemeinschaftlichem Empfinden und Erleben geprägt ist.
Ja, am kommenden Sonntag feiern wir wieder Gottesdienst in Daubringen. Wir kommen wieder – wenn auch in begrenzter Zahl – zum Beten, Danken, Musik hören, Loben, Hinhören, gesegnet Werden zusammen.
Da wir ca. 20 Plätze (plus 10 weitere im Gemeindesaal) in der Kirche haben, zwischen denen genügend Abstand ist, wäre es gut, wenn Sie zum Gottesdienst kommen wollen, sich vorher bei uns telefonisch (Tel. 77472 oder 5399) anzumelden. Bei einer größeren Zahl an Interessierten, wird ein weiterer Gottesdienst um 11:15 Uhr stattfinden.
Schon am Eingang werden wir Sie freundlich begrüßen und auf die notwendigen Regularien hinweisen. Bringen Sie bitte Ihren Mund-Nasen-Schutz mit. Wir haben allerdings auch genügend Schutze vor Ort vorrätig.
Es wird vielleicht anfangs ungewohnt sein, mit den notwendigen aber sinnvollen Einschränkungen Gottesdienst zu feiern, aber Hauptsache, wir kommen wieder zusammen.
Gemeinsam wieder „Gottkontakt“ haben – ich freu‘ mich drauf und freu‘ mich auf Sie und euch.
Bleibt behütet und achtsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
Die weiteren geplanten Gottesdienste:
Himmelfahrt, 21.5., auf dem Kirchberg, openair
Pfingsten, 31.5., auf dem Kirchberg, openair
Sonntag, 14.6., auf dem Kirchberg, openair
Sonntag, 28.6., Daubringen, Kirche
Alle Gottesdienste beginnen um 10:00 Uhr, openair-Gottesdienste fallen bei Regen aus.
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Kapitulation und Barmherzigkeit (8.5.)
Liebe Gemeinde,
ich kann es mir noch nicht so richtig vorstellen: jetzt gibt es weitere Lockerungen. Treffen werden – in gewissem Rahmen – wieder möglich sein. Gestern hatten wir unsere erste Kirchenvorstandssitzung. Dabei haben wir entsprechend weit auseinander gesessen, aber wir haben uns endlich mal wieder live gesehen. Das Hauptthema war ‚Wann und wie feiern wir wieder Gottesdienste?‘. Die technischen Vorgaben von Mund-Nase-Schutz, Desinfektion, Abstandsregelungen, kein Gesang u.a.m. macht es mir noch schwer, mir gottesdienstliches Geschehen vorzustellen.
Dass so manches zunächst für uns fremd sein wird, das ist klar. Gerade das uneingeschränkte Begegnen und Begrüßen wird mir sehr fehlen. Ich hoffe sehr, dass durch die Hygiene und Abstandsregelungen nicht Wesentliches von dem fehlen wird, was einen Gottesdienst zum Gottesdienst macht.
Eines ist bei all diesen Überlegungen und technischen Vorgaben – wie immer! – entscheidend und das ist das Wirken Gottes für und zwischen uns. Sein Geist wirkt und weht, unabhängig von unserem Zutun. Und das ist gut so!
Einen Vers aus dem längsten unserer hundertfünfzig Psalmen ist uns für den heutigen Tag passend von der Herrnhuter Brüdergemeinde zugelost worden:
HERR, lass mir deine Barmherzigkeit widerfahren, dass ich lebe. Psalm 119,77
In jedem Gottesdienst feiern wir das Leben, das Gott uns und seiner gesamten Schöpfung geschenkt hat. Feiern jeden Sonntag Auferstehungsfest, weil Gottes Liebe gegen alle Bedrohung, Depression, Ausgrenzung und Unterdrücken aufsteht. Weil Gott uns beleben will zu freudigen und lebendigen Zeugen seines liebevollen Schöpfungswillens.
Mit dem heutigen Tag verbinden wir das Ende des Zweiten Weltkrieges.
Kapitulation – Gott sei Dank!
Und diese Kapitulation war und ist Aufstand. Aufstand gegenüber wahnsinnigem, nationalsozialistischem Machtgebaren – gegenüber systematischem Morden von sogenanntem ‚lebensunwertem Leben‘ – gegenüber Denunzierung von ‚verdächtigen‘ Nachbarn – gegenüber Folter und Hinrichtung von sogenannten Systemfeinden.
Das Datum 8.5. ruft uns weltweit auf, wachsam zu sein. Wachsam gegen alle Kriegstreiber, gegen alle Unterdrückung von Minderheiten, gegen alles faschistische Gedankengut, gegen Bedrohung von Leben.
„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ So formulierte es Albert Schweitzer in seiner Schrift „Ehrfurcht für das Leben“. Ja, genau so ist es. Wir Menschen sind nicht weniger als das – aber auf keinen Fall mehr als das. Wir sind Leben zwischen Leben.
Und das feiern wir. Ob mit oder ohne Mund-Nase-Schutz, ob in der Kirche oder im Freien, ob wir uns das in der neuen, ungewohnten Form vorstellen können oder nicht – Gottes Lebenswille für diese Welt, für seine Schöpfung bleibt ungebrochen. Er bleibt uns barmherzig gesonnen.
„All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu. Sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.“ Eins meiner Lieblings-Morgen-Lieder.
Hoffentlich können wir das bald wieder zusammen singen.
Bleibt behütet und wachsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Der Kreis der Lieben (7.5.)
Liebe Gemeinde,
„Hab oft im Kreise der Lieben“, dieses Volkslied spielen wir öfter abends vom Turm. Wir spielen meist ein Mix aus kirchlichen und weltlichen Liedern. Natürlich ist ein Lied, in dem nicht ausdrücklich von Gott gesprochen bzw. gesungen wird ein ‚weltliches‘ Lied. Aber alleine das Wort ‚Gott‘ macht nicht das kirchliche, geistliche aus.
In so manchem Text steckt viel Geistliches und es muss nicht immer die Bibel sein, die von gelingendem Leben im Sinne Gottes schreibt. Dazu fällt mir der verstorbene Kabarettist Hans-Dieter Hüsch ein, der in manchen seiner Texte gerne davon erzählt hat, wie er Gott in ganz unterschiedlichen Alltagssituationen in seinem Heimatort am Niederrhein trifft und die beiden sich munter austauschen. Sehr menschlich, sehr geistlich, sehr alltäglich, sehr tiefgängig.
Beziehung und Familie ist dabei natürlich auch immer Thema. „Hab oft im Kreis der Liebe“ – bis heute Morgen kannte ich den Text dieses Liedes außer der Überschrift gar nicht. Aber diese ersten Worte (und die Melodie) lösen in mir schon gleich etwas aus. Ich sehe Bilder von unseren Familientreffen – wir haben eine recht große Familie. Meine Mutter hat fünf Kinder, 10 Enkel, bei den Urenkeln muss ich genau überlegen, zumal da gerade wieder welche dazukommen. Aktuell sind es sechs Urenkel und dann kommen noch eine ganze Reihe an PartnerInnen dazu. Dann sind wir knapp dreißig Personen. Meine Mutter (ich auch) liebt das, wenn wir zum Sommerfest oder an den Weihnachtstagen zusammengekommen sind. Was die Zukunft diesbezüglich bringt, wissen wir nicht.
„…im Kreise der Lieben“ – das hat für mich sehr wohl eine göttliche Dimension, weil es mit meiner Familie, meiner Geschichte, und somit eben auch mit meiner Geschichte mit Gott zu tun hat. Der ‚Stall‘, aus dem wir kommen, hat sehr viel mit unserem Tun und Lassen zu tun. Unsere familiäre Prägung – und die geht oft einige Generationen zurück – entscheidet auch darüber, wie wir uns entscheiden, welche Weltsicht wir haben, was uns un-/wichtig ist, was wir lieben oder ablehnen.
Ich wünschte mir sehr, dass wir bald wieder „…im Kreise der Lieben…“ zusammen kommen können. Das sind natürlich mehr Menschen als unsere Familien. Und bei manchen sind „die Lieben“ leider gerade nicht die Familienangehörigen.
Im christlichen Sinne sind ‚unsere Lieben‘ nicht nur Familienangehörige und gute Freunde. Das betont Jesus immer wieder, dass wir im Geiste Gottes Familie sind und ganz Ferne, hilfsbedürftige Fremde uns zum Nächsten werden.
„Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ Matthäus 7, 12
Egal wem, ob nah oder fern, fremd oder bekannt, tut, was nötig ist, was Not wendet – dazu fordert Jesus uns auf. Im Kreis der Lieben, aber genauso da, wo wir uns schwertun, wo wir Vorbehalte haben, was scheinbar nichts mit unserem Leben zu tun hat. Wenn wir Hilfe brauchen, dann wird uns auch egal sein, woher sie kommt, Hauptsache sie kommt.
Die Liedstrophen von „Hab oft im Kreise der Lieben…“ enden immer damit, dass wir nur singen brauchen und dann wird alles wieder gut. Über „Alles wird gut“ hab‘ ich bereits vor einigen Tagen (2.5.) etwas geschrieben, heute mal nicht.
‚Die Goldene Regel‘, so heißt dieser Bibelvers aus dem Matthäus-Evangelium, kennen wir auch in der weltlichen, der Volksmund-Variante: „Was du nicht willst, was man dir….“.
Das Göttliche im Alltäglichen, im sogenannten ‚Weltlichen‘ zu sehen, darauf kommt es auch sehr an. Jede Begegnung, jeder Gruß, jede Hilfe, jede Berührung kann Zeugnis davon sein, dass wir ganz bewusst als ein Kind Gottes über diesen Globus gehen und dass wir alle Menschen „im Kreise seiner Lieben“ sehen.
Bleibt behütet und wachsam, Gott segne uns! Traugott Stein, Pfarrer
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Gewinner und Verlierer (6.5.)
Liebe Gemeinde,
vor einigen Tagen hab‘ ich darüber geschrieben, dass die Ausbreitung des Corona-Virus und die damit zusammenhängenden Einschränkungen sowohl Verlierer wie auch Gewinner hervorbringen würde. Da gibt es psychologische Verlierer (z.B. Vereinsamte in Pflegeheimen, Verängstigte, Verunsicherte) und wirtschaftliche (z.B. Arbeitslose, Firmen in Insolvenz, Geflüchtete sowieso).
Wirtschaftliche Gewinner gibt es leider auch. Und es werden öffentlich Forderungen gestellt, die unseren Widerstand wecken müssen, die uns möglichst auf die Straße bringen (zurzeit ungünstig), zumindest innerlich auf die Barrikaden bringen müssen: z.B. Bosse der Autoindustrie (und anderer Industriezweige) haben offensichtlich kein Problem damit, Millionen- und Milliardensubventionen von Steuerzahlern einzufordern und dann gleichzeitig über Entlassungen nachzudenken und Dividenden an die Aktionäre und Boni an Manager auszuzahlen. Buisiness as usual – für die Reichen geht es scheinbar immer so weiter als hätte sich nichts verändert. Und wir haben uns inzwischen schon so daran gewöhnt, dass uns das „normal“ erscheint.
Mir fällt dazu der alttestamentliche Prophet Amos ein, ein Schafzüchter aus dem Ort Tekoa. Er tritt schon früh für soziale Gerechtigkeit ein. Hebt „Recht und Gerechtigkeit“ für die sozial und wirtschaftlich Benachteiligten hervor. Diejenigen, die sich bereichern auf Kosten anderer, werden angeklagt und bestraft.
Wir sind manchmal etwas schnell bei der Hand mit Strafe. Und auch die Bibel spricht immer wieder davon. Es geht dabei aber in erster Linie häufig nicht um Bestrafung, sondern um Wiederherstellung von gerechten Verhältnissen. Besitzverhältnisse sollen wiederhergestellt werden (z.B. Erlassjahr, Verzicht auf Schuldenrückzahlung) und diejenigen, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind, bekommen dadurch eine weitere Chance.
Wir brauchen nicht zu denken, dass es ‚normal‘ ist, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer benachteiligter werden. Die Forderungen des Amos vor weit über zweitausend Jahren behalten ihre Aktualität. Wenn die Worte von Amos z.T. auch sehr hart bis kriegerisch klingen, so haben sie doch ein klares Ziel: die Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit für alle.
„Suchet mich, so werdet ihr leben.“ Amos 5, 4
Amos weiß, dass Menschen sich selbst und die Beziehung zu Gott verloren haben. Dass sie nicht mehr nach Gottes Willen fragen, sondern nur noch den eigenen Vorteil und Wohlstand suchen.
Auf keinen Fall dürfen wir die Forderungen nach staatlicher Unterstützung zur Bereicherung der sowieso Reichen als gut oder gar systemerhaltend annehmen. Gelder werden gebraucht im Bereich von Bildung, im Sozialen, beim Erforschen von nachhaltiger und umweltschonender Technologie, im Gesundheitswesen, beim Bekämpfen von Fluchtursachen und dem Verringern vom Leid Geflüchteter.
Das Bereichern einiger Weniger geht auf Kosten von so unzählbar Vielen. Wir verlieren unsere Beziehung zu Gott, wenn wir dem nicht widersprechen und versuchen, entgegenzuwirken.
„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ Amos 5, 24.
Es ist unsere Aufgabe, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten und es nicht als ‚gottgegeben‘ hinzunehmen, dass es Gewinner und Verlierer gibt.
Bleibt behütet und wachsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Bewahrung (5.5.)
Liebe Gemeinde,
in den letzten Wochen, besonders an den warmen Tagen habe ich unter anderem die Zeit genutzt, um ein Insektenhotel zu bauen. Mit den Konfirmanden hatten wir bei dem Gemeindeprojekt unserer Vikarin damit angefangen. Einer unserer Geflüchteten, die im Kirchenasyl waren, hat uns noch geholfen und ich habe dann damit weitergemacht. Schon während dem Zusammenbauen fingen schon die ersten Wildbienen an, ihre Eier in den zurechtgeschnittenen Bambusröhrchen abzulegen. Passend dazu bekam ich in diesen Tagen von einem meiner Kinder ein fertiges Insektenhotel geschenkt. Das brauchte ich nur aufhängen und schon kamen auch da die ersten Bienen.
Inzwischen stehe ich immer wiedermal vor den Hotels und schaue einfach nur zu. Je wärmer die Außentemperatur, desto mehr Betrieb vor den kleinen Röhrchen und Bohrlöchern. Ein Freund von mir ist Biologielehrer und der hat mir einiges an Informationen über Wildbienen gegeben. Und wenn ich jetzt beobachte und mir noch die eine oder andere Information hole, versetzt mich das immer wieder in Staunen, wie Natur funktioniert.
Macht euch die Erde untertan. Genesis 1, 28
Wenn ich nur auf das schaue, was da zurzeit vor und in den Insektenhotels passiert und an Leben entsteht und wenn ich höre, dass nach einer UN-Studie täglich mindestens 100 Tier- und Pflanzenarten durch uns Menschen von dieser Erde ausgerottet werden, dann stimmt etwas nicht mit diesem sogenannten „Herrschaftsauftrag“ aus Genesis 1.
Genau dazu passend schreibt einer meiner ehemaligen Professoren für Altes Testament, Erhard Gerstenberger, dass dieser Auftrag an die Menschen ursprünglich nicht Teil dieses Textes war. Heute wollen wir nicht zu tief in die Exegese (Auslegung) dieses Bibeltextes gehen. Das machen wir mal zu einem anderen Zeitpunkt. Aber es hat sich über (zu) lange Zeit ein falsches Verständnis dieser Bibelstelle in unserem Bewusstsein breit gemacht, dass Natur nachhaltig schadet.
Mich lässt das Beobachten dieser kleinen, arbeitsamen Flieger ganz dankbar und selbst ‚klein‘ werden. Ich bin nicht der „Boss“ und die Natur um mich herum hat mir untertänig zu sein. Ich bin ganz im Gegenteil leider sogar eher Zerstörer als Bewahrer. Ich bin nur ein Teil, ein Bauteil in diesem unermesslichen Gefüge, das ich Gottes Schöpfung nenne.
„Aus Erde (hebräisch: adamà) bist du genommen und sollst zu Erde werden.“, so wird es dem Menschen im zweiten Schöpfungsbericht zugesagt (Gen. 3, 19)
Adam (hebr.) heißt auf Deutsch: Mensch. Und ganz genau übersetzt heißt Adam ‚Erdling‘, der aus Erde Gemachte. Ja, genau das bin ich: ein Teil dieser Erde. Nicht mehr – und nicht weniger.
Diese Tage der Corona-Zeit geben uns hoffentlich genügend Ruhe und Momente der Besinnung, in denen wir uns einordnen lassen können, wo unser Platz in Gottes Schöpfung und unsere Aufgabe darin ist.
Ich habe vor, ein weiteres Insektenhotel mit den Konfirmanden zusammen fertigzustellen. Jede/r bereitet zuhause einen Teil vor und ich setze das dann später zusammen. Vielleicht hilft uns diese Aktion, uns an der richtigen Stelle und mit dem richtigen Bewusstsein in Gottes Schöpfung zu sehen: Ich kann tatsächlich zerstörerisch wirken, aber ich kann meine Gaben, Fähigkeiten und auch mein Geld dafür einsetzen, dass Schöpfung bewahrt, dass Leben gerettet und erhalten wird.
Es muss ja nicht gleich ein Insektenhotel sein, aber irgendeinen bewussten Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung können wir alle leisten.
Bleibt behütet und achtsam, Gott segne uns. Traugott Stein, Pfarrer
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(Un-)Geduld (4.5.)
Liebe Gemeinde,
„Ah, die Zeitung ist wieder dicker. Es ist also wieder mehr los, wovon berichtet wird.“ Das waren am Samstagmorgen meine ersten Gedanken als ich die Zeitung aus dem Briefkasten geholt habe. Es waren dann aber doch nur die Werbeeinlagen und der Wochenendteil unserer Zeitung, die die Dicke der Zeitung auf den Normalumfang einer Wochentagsausgabe steigerte.
Also doch noch alles beim (Corona-)Alten. Geduld ist im Moment eine sehr gefragte Tugend. Ich kann es zwar nicht genau nachempfinden, weil wir hier im ländlichen Bereich andere Möglichkeiten haben, aber dass es in den Städten deutlich schwerer auszuhalten ist, Kontaktsperre und Abstandsregelungen einzuhalten, das kann ich mir vorstellen.
Dass jetzt aber gleich wieder auf die Politik bzw. die Regierenden geschossen wird, das kann ich nur ganz schwer nachvollziehen und findet bei mir kein unterstützendes Verständnis. Auch wenn manche Forderung nach Lockerung – besonders was die Besuchsmöglichkeiten in Pflegeheimen betrifft – gründlich diskutiert werden muss.
Beim Thema Gottesdienst braucht es auch noch etwas Geduld. Die Vorstellung der ‚technischen‘ Einweisungen, die es anfangs für die Gottesdienstteilnehmenden geben wird, und die Begrüßung der Gemeinde, die Mund-Nasen-Schutz trägt, sind mir noch sehr fremd. Aber wir werden auch das mit unserer Gabe der Gewöhnung und mit Geduld hinbekommen.
„Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit…“ Galaterbrief 5, 22
Für mich ist und bleibt es der Geist Gottes, der mich auf verschiedene Weise bereichert. Das betrifft alle Bereiche meines Lebens. Auch und gerade die Krisenzeiten.
Ich wünsche uns genau das Maß an Geduld, das nötig ist und das Maß an Ungeduld, dass uns wieder zusammenbringt.
Bleibt behütet und (un-)geduldig, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Wie lieblich ist der Maien!
Liebe Gemeinde,
„Wie lieblich ist der Maien“. Wenn auch ohne Text, aber die Melodie spielen wir jetzt abends mit den Trompeten vom Turm. Wie ‚lieblich‘ der Mai werden wird, das wird sich zeigen. Der Text des Liedes singt bzw. erzählt ja eigentlich von einer anderen, einer ‚normalen‘ Zeit.
„Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Die Tier sieht man jetzt springen mit Lust auf grüner Weid, die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud.“ (EG 501, 1)
Mir gefällt die Melodie zum einen sehr gut. Und die Bilder, die beim Lesen bzw. Singen in meinen Kopf kommen, sind zum anderen von frischen, hellgrünen Buchenblättern geprägt. Kühle Frische durchzieht die Szenerie in meinem Kopf – und die Welt ist in Ordnung.
Tut gut, solch einen Text zu lesen, wenn er auch stark von der Romantik geprägt ist. Unsere Tage haben zurzeit wenig Romantisches. Spätestens wenn ich meinen Mund-Nasen-Schutz aufziehe, ist Romantik so ziemlich das Letzte, woran ich denke.
„Herr, dir sei Lob und Ehre für solche Gaben dein! Die Blüt zur Frucht vermehre, lass sie ersprießlich sein. Es steht in deinen Händen, dein Macht und Güt ist groß; drum wollst du von uns wenden Mehltau, Frost, Reif und Schloss'.
Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein, damit sich's möge schicken, fröhlich im Geist zu sein, die größte Lust zu haben allein an deinem Wort, das mich im Kreuz kann laben und weist des Himmels Pfort.
Mein Arbeit hilf vollbringen zu Lob dem Namen dein und lass mir wohl gelingen, im Geist fruchtbar zu sein; die Blümlein lass aufgehen von Tugend mancherlei, damit ich mög bestehen und nicht verwerflich sei.“ (EG 501, 2-4)
Gestern hat mehrfach die Sonne durch die z.T. regenverhangenen Wolken geblickt. Abends stand dann ein Regenbogen am Himmel, wie ich ihn lange nicht mehr gesehen habe. Zwei komplett durchgängige Bögen übereinander! Bei vielen sind Bilder davon auf ihrem Status zu sehen. Zurzeit haben viele Kinder/Familien einen gemalten Regenbogen ins Fenster gehängt oder auf Steine gemalt und zu einer langen Kette auf dem Boden gelegt. Das Ganze ist verbunden mit dem Spruch „Alles wird gut!“. Wenig romantisch müssen wir sagen: Nein, nicht alles wird gut. Aber das war schon immer so. Wobei unsere Vorstellung von „gut“ zumeist die ist, dass uns nichts passiert, wir wieder „heile“ werden, wenn doch mal was passiert ist und wir dann in Frieden sterben.
Das wünsch‘ ich wirklich uns allen. Es kommt aber sehr darauf an – und das weiß jede/r, die/der schon mal Schlimmes erlebt hat, dass es sehr auf den Geist ankommt, der uns in solchen Zeiten führt. „Fröhlich im Geist zu sein“ und „im Geist fruchtbar zu sein“, davon schreibt Martin Behm 1604 in diesem Liedtext. Corona war damals kein Thema, aber andere Bedrohungen, die die Ernte und damit die Zukunft gefährdeten, gab es sehr wohl.
Und trotzdem „fröhlich im Geist“ zu sein – ich denke, darauf kommt es an. Wir, die wir an den Gott des Lebens und der Liebe glauben, können und dürfen diese Fröhlichkeit weitergeben. Wir müssen nicht ständig grinsend durch die Straßen laufen.
Aber dass wir ständig hoffend sind, dass dürfen wir andere spüren lassen.
Bleibt behütet und wachsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Tag der Arbeit
Liebe Gemeinde,
warum hat Kirche eigentlich so wenig bis gar nichts mit den Belangen von Arbeitern oder Gewerkschaften zu tun? Und dass, obwohl christliche Grundsätze und Forderungen nach einer gerechten Welt und ein Leben ohne Mangel und in Frieden mit denen der Arbeiterbewegung durchaus übereinstimmen.
Es gab in der Zeit um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert einen Bruch zwischen Arbeiterschaft und Kirchen. Und bis heute tut sich unsere Kirche schwer, sich auf der politischen Ebene zu bewegen. Das hängt natürlich auch mit der immer wieder zum Teil lautstark geforderten Äußerung, gerade von konservativen Kräften, dass Kirche sich aus politischen Dingen raus zu halten hätte, zusammen.
Ich persönlich halte das für eine rundweg falsche Sicht der Dinge. Wenn wir als Kirche für gerechte Verhältnisse in dieser Welt, für Solidarität mit den Armen und Ausgebeuteten eintreten wollen – und das wollen und tun wir – dann geht das nicht, ohne sich auch politisch zu äußern.
Ein großes Grundproblem dabei ist, dass wir es gewohnt sind, sofort in parteipolitischen Schienen zu denken. Sofort wird jemand, der sich zu (aktueller) Politik äußert, als rot, grün, gelb/blau, schwarz oder im schlimmsten Falle als braun eingeordnet.
Die politische Äußerung oder Forderung tritt dadurch ganz schnell in den Hintergrund und Diskussionen sind dann häufig leider schnell beendet.
Ich war bisher in meinem Leben maximal auf drei 1. Mai-Kundgebungen. Letztes Jahr haben für Gießener Verhältnisse recht viele Menschen daran teilgenommen. Sicherlich hab‘ ich nicht alle Teilnehmenden überblickt, aber oft ist es bei Demonstrationen so, dass man Freunde oder Bekannte trifft und das selbst bei Großdemonstrationen. Letztes Jahr habe ich keinen einzigen Kirchenvertreter am 1. Mai bei Demonstration und Kundgebung gesehen. Klar, wenn ich als Pfarrer zwischen denn vielen roten Fahnen verschiedener politischer Gruppen daher laufe, denkt der eine oder andere sofort: rot, links, Sozialist oder Ähnliches.
Mir geht bzw. ging es bei meiner Teilnahme allerdings darum zu zeigen, dass wir uns mit Menschen solidarisieren müssen, denen immer wieder ihre Rechte als Arbeitende beschnitten werden und für die es gilt, sich das, was ihnen zusteht, immer und immer wieder erstreiten müssen. Und der ‚Gegner‘, oder etwas moderater: das Gegenüber hat viel Macht. Um es klassisch zu benennen: es ist das Kapital.
Ich bin nicht sicher, ob es das eigene, innere Zurückzucken ist, wenn diese Begriffe (Arbeiter, Sozialismus, Kapital etc.) fallen oder das mitgefühlte von manchen aus unserer Gemeinde. Auch wir als Christen kommen nicht umhin zu sehen, dass es sehr wenige Menschen gibt, die sehr viel, viel zu viel (!) Geld ihr Eigen nennen und dadurch über Wohl und Weh, über Leben und Tod, über Ausbeutung oder Bewahrung der Schöpfung entscheiden können. Wir dürfen uns nicht zufrieden zurücklehnen und die Solidarität mit den unvorstellbar vielen Unterdrückten weltweit vergessen, nur weil wir einen befriedigenden Anteil von dem großen Kuchen abbekommen haben.
Moderne soziologische Studien sprechen nicht mehr von „dem Arbeiter“. Heute heißt es z.B. ‚Traditionelles oder Traditionsloses Arbeitermilieu‘ (Sinus-Studie), oder vergleichbare Begriffe werden gebraucht. Die Themen von Solidarität und Gerechtigkeit sind aber immer dieselben. Die Tatsache, das Menschen für diese Themen und die Rechte der arbeitenden Bevölkerung eingetreten sind – die wir heute sehr wohl nutznießen – und manche mit dem Leben bezahlt haben, verdient diesen Feiertag und verdient unsere Solidarität mit allen „Arbeitern“ und Ausgebeuteten dieser Erde.
Bleibt behütet und achtsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Wieder Gottesdienste feiern!
Liebe Gemeinde,
wir können wieder Gottesdienste feiern! Das ist eine wirklich gute Nachricht.
Allerdings müssen wir uns mit unseren Erwartungen noch etwas bremsen.
Wir haben alle die Bilder von den vielen Gottesdiensten im Sinn, die wir in Vergangenheit gemeinsam erlebt haben. Da kamen wir zusammen, haben uns herzlich begrüßt, Hände geschüttelt und vielleicht umarmt. Wir haben dicht beieinander gesessen auf der Kirchenbank oder möglicherweise auf einer Kirmesbank, wenn wir im Freien gefeiert haben. Wenn wir konnten und wollten haben wir lauthals die Lieder mitgesungen, standen beim Abendmahl nebeneinander und haben sogar zum Teil aus demselben Kelch getrunken.
Das wird hoffentlich bald wieder alles so sein können.
Zunächst heißt es aber, dass wir geduldig sein und mit anderen Formen auskommen müssen. Es gibt eine Reihe an Vorgaben, die unsere Kirchenleitung an uns in den Gemeinden weitergegeben hat, die eingehalten werden müssen, damit überhaupt Gottesdienste stattfinden können. Und da sind jetzt die Kirchenvorstände gefordert.
Gleich zu Anfang heißt es in den „Grundsätze zum Schutz der Gesundheit in gottesdienstlichen Versammlungen und Rahmenbedingungen für ein Infektionsschutz-Konzept vor Ort in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“, dass der Fokus auf den gegenseitigen Schutz ausgerichtet ist und dass keine Gemeinde jetzt verpflichtet wird, Gottesdienst zu feiern. Das kann sehr wohl auch in Absprache mit Nachbargemeinden geregelt werden.
Jede Gemeinde muss für sich, je nach den Gegebenheiten des Kirchenraums schauen, wie es überhaupt möglich, zum Gottesdienst einladen und ihn dann feiern zu können. Dabei ist natürlich die Größe des Raumes mitentscheidend. Es sollen möglichst 2m Abstand zum nächsten Gottesdienstteilnehmer – außer bei Familienmitgliedern – eingehalten werden. Die Empore soll nur von Organisten genutzt werden. Dadurch wird die Zahl der Menschen, die Gottesdienst feiern wollen, schnell reduziert. Das gemeinsame Singen soll nicht praktiziert werden. Sologesang ist möglich. Mund-Nasen-Schutz sollte getragen werden und die Möglichkeit zum Händewaschen und Desinfizieren gegeben sein.
Es gibt noch ein paar weitere Bedingungen, die zu beachten sind. Die Umsetzung von all dem ist nicht eben mal so zu bewerkstelligen, das braucht Zeit, aber die Kirchenvorstände werden sich in Kürze damit befassen.
Da gibt es eine Menge zu bedenken!
Es sollte jetzt in den Gemeinden kein Wettlauf beginnen, wer zuerst wieder startet. Im Gegenteil sollte mit Ruhe und Bedacht entschieden werden, wann und wie wieder Gottesdienste abgehalten werden.
Die Kirchenleitung hat uns ausdrücklich dabei mit auf den Weg gegeben, geduldig zu sein und mit der dafür nötigen Zeit umzusetzen, was je in den Gemeinden möglich – oder auch nicht möglich – ist.
Die Gottesdienstfeiern werden deutlich anders sein als das, was ich zu Anfang beschrieben habe. Sehr wahrscheinlich wird es zeitlich kürzere Gottesdienste geben, um ggf. mehrere nacheinander zu feiern.
Für heute muss es zunächst mal zu diesem Thema reichen. Wir werden, sobald es tragfähige Entscheidungen aus den Kirchenvorständen gibt, Gemeinde informieren.
Bleibt behütet und achtsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Öffnung und Verunsicherung
Ihr Lieben,
gestern habe ich darüber geschrieben, dass ich manches, was vor der Corona-Krise Normalität zu sein schien, in Zukunft nicht mehr haben möchte. Ich weiß aber auch, dass wir gerade in Bezug auf unser Miteinander, unsere Begegnungen und Berührungen möglichst bald wieder ‚Normalität‘ brauchen.
Meine Mutter lebt im Pflegeheim. Seit über fünf Wochen dürfen wir sie nicht mehr besuchen. Dass der Schutz der älteren Menschen für diese und andere Maßnahmen im Vordergrund stand, ist völlig nachzuvollziehen. Mit der zunehmenden Dauer der Kontaktsperre wird immer deutlicher, was wir schon lange wissen, nämlich dass Isolation und fehlender Kontakt (nicht nur) für ältere Menschen schädlich bis tödlich sind.
Wie groß war die Freude und die Dankbarkeit als wir letzten Samstag ein kleines Konzert dort im Pflegeheim im Innenhof gegeben haben. Die PflegerInnen hatten einen Großteil der Heimbewohner an die Fenster gebracht. Ob bei den kirchlichen oder den sogenannten weltlichen Liedern, aus so manchem Fenster wurde kräftig mitgesungen. Wir haben uns sehr gefreut, dass die Heimleitung diese Aktion unterstützt hatte. So entstand etwas Nähe - auf Distanz.
Es ist wohl wie ein Hunger danach, sich zu begegnen, auszutauschen, zu berühren. Ja, es ist Mittel zum Leben, Lebensmittel.
„Wenn wir die Älteren jetzt auf längere Zeit isolieren, dann sterben sie eben an Vereinsamung.“, hat kürzlich ein befreundeter Arzt gesagt. Das hört sich ebenso dramatisch wie fast schon logisch an. Ohne Kontakte geht auch der Sinn am Dasein verloren.
Ich bin sehr gespannt, wie ‚wir‘ mit dem Thema Nähe und Berührung umgehen werden, wenn Öffnungen, Lockerungen und Treffen wieder ermöglicht werden. Ich befürchte, dass, wenn wirtschaftliche Prozesse und Abläufe schon länger wieder funktionieren, so manche/r noch sehr verunsichert ist, ob wir uns wieder die Hand geben, den Mundschutz abziehen oder uns gar umarmen dürfen.
Ende März hatte ich geschrieben und gefragt: „Was geben wir derzeit alles auf?“, „Wie können wir wieder zur Normalität finden?“, „Welche ‚Opfer‘ sind wir noch bereit zu geben und wie lange lassen wir uns in unseren Grundrechten eingeschränkt sein?“
Beim Thema ‚Grundrechten‘ gehöre ich nicht zu denen, die Bedenken haben, dass unsere Regierung ein Interesse daran hätte, unsere Grundrechte möglichst lange oder gar dauerhaft einzuschränken. Bei den Fragen danach, was wir derzeit alles aufgeben und wie viele Opfer wir bereit sind zu geben, empfinde ich nach wie vor genau dieses Dilemma: wie viel Einschränkung ist nötig und wie viel Öffnung möglich. Es sind nach wie vor viele Unsicherheiten und fehlende verlässliche Prognosen.
Mit großer Freude lese ich, dass es ab nächster Woche wieder möglich ist, Besuche – wenn auch in eingeschränktem Maße – im Pflegeheim abzustatten. Ich freu mich drauf und meine Mutter sicher auch.
Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu. Prediger 9,10
Auch mit Abstand und gegenseitiger Rücksichtnahme lässt sich einiges tun – für andere. Ich wünsche uns, dass wir einiges finden „vor unseren Händen“, was wir tun können. Umarmen wird es jetzt noch nicht sein bei Nicht-Familienmitgliedern und auf’s Händeschütteln verzichten wir auch noch.
Aber wir dürfen uns bei all den Einschränkungen nicht aus dem Blick verlieren!
Bleibt behütet und achtsam, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Normalitäten ändern
Liebe Gemeinde,
inzwischen bin ich völlig sicher:
Die ‚Normalität‘, wie sie noch vor Wochen war, möchte ich nicht wieder erleben.
„Zeit zum Umdenken“, so hören und lesen wir es hier und da und so hab‘ ich es selber sinngemäß auch schon vor einiger Zeit geschrieben.
Das Beispiel mit dem annähernd kondensstreifenfreien Himmel ist uns ein sehr augenscheinliches und auffälliges. Wir freuen uns daran, dass die Natur durchatmet, die Straßen und Autobahnen und auch die Fußgängerzonen leerer sind etc.
Über Demut hat Bischof Wolfgang Huber am Sonntag im Fernsehgottesdienst gepredigt. „Mut zur Demut“ war die Überschrift zu diesem, wie ich fand, sehr gelungenen und aussagestarken Gottesdienst.
Ja, zurzeit denken viele von uns neu über das eigene Verhalten, die persönlichen Ziele, unsere wirtschaftliche Begrenztheit und unseren Wohlstand, den wir zum Großteil auf Kosten anderer und der Natur erlangt haben, nach.
Die entscheidenden Fragen aber sind: „Was lernen wir daraus?“ und „Sind wir bereit unsere derzeitige Betroffenheit in Zukunft dauerhaft und nachhaltig in einen veränderten Lebensstil umzusetzen?“
Ein ‚schönes‘ Beispiel für mich ist dabei die große Aufregung darüber, dass wir hier im Westen inzwischen sehr abhängig in unserer Versorgung von China oder anderen asiatischen Ländern sind, in denen durch extrem niedrige Lohnkosten (viel zu) billig produziert wird. Aber beim Thema Fairer Handel sehen wir schon, wie wenig wir bereit sind, die eigentlich normalen Preise zu bezahlen. Die Tatsache, dass Bürger aus unserer Kommune nach Dutenhofen in den Handelshof fahren, weil dort das (Hack-)Fleisch so günstig ist, zeigt mir unsere Beschränktheit und unseren zerstörerischen Egoismus, wenn es an unser Portemonnaie geht.
Wir müssen reden!
Wir müssen reden miteinander. Darüber, was uns zurzeit wichtig geworden ist. Was uns an Einsicht in der Corona-Zeit in unseren Sinn, ja vielleicht sogar bis in unser Herz gekommen ist. Und wir müssen reden darüber, was wir bereit sind zu ändern und abzugeben.
Wir müssen viel mehr reden über unsere Ein- und Ansichten, über unsere Unsicherheiten, unsere Inkonsequenz, über unsere Hoffnungen und Lebenswünsche. Auch da haben wir uns ‚individualisieren‘ lassen und sind immer weniger sprachfähig geworden.
Lauft so, dass ihr den Siegerpreis erlangt. 1. Korintherbrief, Kap. 9, 24
Ja, gewinnen ist schön. Mal schauen, was wir aus dieser ‚unnormalen‘ Zeit gewinnen. Selbst aus dem Schlimmsten kann Gott Gutes entstehen lassen, so hat es Dietrich Bonhoeffer sinngemäß gesagt. Wenn wir den Glauben daran nicht verlieren, dann brauchen wir uns nicht mit alten Normalitäten zufriedenzugeben.
Bleibt gesund, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Lockerungen
Liebe Gemeinde,
‘Lockerungen‘ ist eins der am häufigsten benutzten Worte in diesen Tagen. Viele wünschen sich das. Das Verlangen nach ‚normalen‘ Verhältnissen ist groß. Aber die Bedenken, dass die Einschränkungen schon zu früh aufgegeben würden, sind auch sehr groß. Eine sowieso schwierige Situation für die Verantwortlichen und EntscheidungsträgerInnen.
Was ist wann in welchem Maß richtig?
Eine Frage, die wir uns oft im verhältnismäßig „Kleinen“ auch fragen müssen. Wir kennen das Problem mit den Entscheidungen: wenn wir uns endlich zu dem einen oder anderen Entschluss durchgerungen haben, fragen wir uns schon wieder „Hätte ich nicht doch besser anders…?“ und das gleiche fragen wir uns auch, wenn wir uns entschieden haben, nichts zu tun.
In was vertraue ich eigentlich? Wer oder was trägt meine Entscheidung? Was gibt mir die Sicherheit, das Richtige getan oder gelassen zu haben?
Unsere Regierungsmitglieder wollen Schaden von der Bevölkerung abwenden, das haben sie bei Amtseinführung versprochen. Der große Schaden zurzeit: krank werden und im schlimmsten Fall an dieser Krankheit sterben.
Lassen Sie mich in diesen Tagen etwas (vielleicht für manche sehr) Kritisches sagen:
Haben wir eigentlich in den letzten Jahren gemerkt, welche zentrale Bedeutung Gesundheit in unserem Denken und Handeln bekommen hat? Ich habe das schon ab und an in meinen Predigten erwähnt, dass ich bei Geburtstagsbesuchen immer und immer wieder, fast schon gebetsmühlenartig den Wunsch höre: „Und vor allem Gesundheit! Das ist ja das Wichtigste.“
Nein, das ist sie nicht. Bei aller Bedrohung, die viele zurzeit empfinden und bei allem Mitgefühl mit den Kranken und Sterbenden. Gesundheit ist nicht das Wichtigste!
Viel entscheidender und somit lebens- und ‚sterbenswichtiger‘ sind Vertrauen und Hoffnung – und natürlich Liebe!
Warum wünschen wir uns das eigentlich so selten zum Geburtstag – oder beim Abschied. „Ich wünsche dir, dass du die Hoffnung nicht verlierst!“ „Lass dich durch dein Vertrauen durch die nächsten Tage tragen!“ „So viele Menschen wie möglich mögen dich lieben!“ Das sind doch wunderschöne Wünsche.
Ich wünsche bei Geburtstagen immer „Gottes Segen“, und damit meine ich auch genau das, dass in den entscheidenden Situationen des Lebens Vertrauen, Hoffnung und Liebe Bestand haben – gerade auch dann, wenn jemand erkrankt ist. Da passt der Lehrtext für den heutigen Tag:
„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Hebräer 10, 35
Krank werden ist schlimm – mal weniger und manchmal dramatisch schlimm. Und manche sterben an ihrer Krankheit. Das war schon immer so und das ist auch mit Corona so.
Lockerungen? Ich wünsche mir für uns alle Festigungen – besonders für unsere unsicheren und bedrohten Zeiten. Vertrauen auf Gott ist dabei ein sehr gutes Fundament.
Bleibt behütet, Gott segne uns!
Traugott Stein, Pfr.
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Liebe Gemeinde,
in der Andacht vom 15. April (s. unten) habe ich von meiner Ratlosigkeit und meinen Fragen in Zeiten von Corona berichtet und Sie und euch nach Ihren und euren Meinungen gefragt.
Marianne hat uns geantwortet und ich möchte ihre Gedanken - in Absprache mit ihr - heute mit Ihnen und euch teilen.
Marianne schreibt:
„Du hast in Deiner Andacht vom 15. April den Finger in eine Wunde gelegt, wie es in diesem Falle eine unschätzbare Zahl von uns Christen, aber auch Kirchenfernen getan haben und jeden Tag erneut tun. Es ist die Ratlosigkeit und Unsicherheit mit der Corona-Krise umzugehen, die uns auch die strikten Regeln und Vorgaben der Politik und der Medizin einhalten lässt, wenn auch oft zähneknirschend.
Dass die seitherigen Maßnahmen sich erfolgversprechend bewährt haben, ist nicht zu bestreiten. Ich persönlich habe auch große Hoffnung, dass all unser Tun und Lassen, gepaart mit großem Vertrauen auf Gott, hoffentlich eine nicht zu unterschätzende Nachdenklichkeit verursacht, über unsere sich immer mehr ausufernde Lebensweise. Natürlich denken wir auch an die Menschen auf der Welt, denen es schlecht geht. Wir spenden Geld und Sachwerte und wiegen uns in der Gewissheit, etwas Gutes getan zu haben. Aber überzeugen wir uns auch davon, dass die dringend benötigten Brunnen,
etwa in Zentralafrika auch gebaut werden, ohne die sich die Menschen zum Schutze gegen die Viren nicht mehrmals am Tag die Hände waschen können?
Was würde Jesus machen, wenn er heute unter uns weilen würde?
Auch vor 2000 Jahren grassierten Seuchen in den jungen römischen Christengemeinden, von denen überliefert ist, dass sie sich in barmherziger Nächstenliebe um die Kranken und Sterbenden gekümmert hätten, so wie auch Jesus den Leidenden große Aufmerksamkeit und Heilung entgegengebracht habe. Es habe sich gezeigt, dass die gläubigen Menschen, die die Kranken nicht im Stich gelassen hätten, weniger Ansteckungen zu verzeichnen hatten, als die, welche vor der Ansteckung geflohen seien.
Ich denke, dass Jesus heute mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen über den Stand der Medizin dazu raten würde, diese Erkenntnisse anzunehmen, zum eigenen und zum Schutze der Gemeinschaft. Mir fällt dazu das Gleichnis ein: „Ich bin der Weinstock, ihr die Reben“. Die Reben wurden uns in der Schule als Arme Gottes erklärt, als Menschen, die mit ihren Fähigkeiten seine Befehle auf Erden ausführten.
Immer mehr Menschen sehnen sich zurzeit nach Gott und der Gemeinschaft in den Kirchen, wo sie ihre Gebete gut aufgehoben und unwidersprochen wissen. Und das ist gut so und ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft, den Kontakt auf den Boden zurückzukehren und Gottes Schöpfung zu achten, zu hegen und zu pflegen.“
Vielen Dank für deine Gedanken, Marianne.
Bleibt gesund und behütet. Gott befohlen!
Herzliche Grüße, Ronja Vinzent
Andacht am 21.4.2020
Auferstehung
Liebe Gemeinde,
vor und an den Osterfeiertagen war hier oben viel los auf dem Friedhof. Die Gräber wurden bereitet, Besuche abgestattet, manche haben sich bei dem schönen Wetter auf die Bänke gesetzt und es wurde viel geredet.
Mir gefällt das sehr gut – wenn der Friedhof ‚genutzt‘ wird. Die Motivationen dazu sind sicher unterschiedlicher Art. Aber es ist immer eine bewusste oder unbewusste Auseinandersetzung mit den Themen Tod, Sterben, Trauer.
Wie viele beim Besuch auf dem Friedhof auch das Thema Auferstehung im Sinn haben, das lässt sich natürlich nicht eben mal so feststellen. Aber so manches weist eben daraufhin, dass wir Christen diesen Ort mit unserem Auferstehungsglauben verbinden:
Die älteren Gräber sind alle Richtung Osten ausgerichtet, der aufgehenden Sonne entgegen. Früh am Morgen, bei Sonnenaufgang haben die Frauen die ersten Hinweise auf Jesu Auferstehung bekommen.
Die Blumen, die an den Gräbern abgelegt werden. In ihrer Farbigkeit sind sie Symbol von Lebendigkeit und nicht von Tod.
Und der wichtigste Hinweis ist, dass wir als Lebende an diesen Ort gehen, wo unsere Toten bestattet worden sind. Als Lebende stellen wir uns dem Tod, weil wir wissen/spüren/erfahren, dass die Verbundenheit über den Tod hinaus bestehen bleibt.
Wir waren Ostersonntag auch bei meinem Vater am Grab. Nur ein Grabstein? Nein, es ist einfach mehr. Erinnerungen, Bilder, Beziehung – und all das bleibt lebendig.
Auf dem Grabstein meines Vaters ist ein Psalmvers angezeigt, den er sehr gemocht hat:
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Psalm 103, 2
Loben und danken – genau das machen wir in jedem Gottesdienst. Sonntags, dem ersten Tag der Woche, an dem Jesus auferstanden ist. Morgens zumeist. In einer Kirche, die zur aufgehenden Sonne ausgerichtet ist.
Gottesdienst will immer auch Auferstehungsfeier sein. Und das wollen wir gemeinschaftlich erleben und feiern. Ich bin sicher, dass wir das auch in diesen Tagen können – mit dem nötigen körperlichen Abstand, aber der gelebten inneren Verbundenheit. Und die erleben wir untereinander als Lebende und mit unseren Verstorbenen.
Wir brauchen diese gemeinsamen Auferstehungsfeiern, unsere Gottesdienste.
Ich bin sicher, dass wir uns bald wieder in der Kirche, im Gottesdienst mit Abstand begrüßen und Gott loben und danken werden – wir brauchen noch etwas Geduld.
Bleibt gesund und behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
Teilen Sie bitte unsere Adresse: evangelisch-kirchberg.ekhn.de
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Verwischt und doch dauerhaft!
Liebe Gemeinde,
es ist verwischt!
Die Kinder haben am Karsamstag vor unserem Aufgang zur Kirche hier in Daubingen ein wunderschönen Ostergruß mit Kreide auf den Weg gemalt.
Vielen Dank: Maya, Simon und Jonas!
Viele sind dann hier an den Osterfeiertagen und auch noch in der letzten Woche stehengeblieben und haben sich gefreut. Wie schön zu sehen, wenn durch solch ein Bild Menschen ein Lächeln auf die Lippen gezaubert wird.
Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wohin du auch ziehst. 1. Mose 28, 15
Es ist verwischt – das meint, der Regen hat so gut wie alles von dem schönen Osterbild weggespült. Auch diesen Vers aus dem 1. Buch Mose.
Die beiden Regenbögen sind gerade noch zu sehen. Das erinnert mich natürlich an die Geschichte von Noah und dem Regenbogen. Der Regenbogen als Zeichen dafür, dass Gottes liebevoller Segen kein Ende haben wird. „Es sollen nicht aufhören Saat und Ernte…“ heißt es am Ende der Noah-Geschichte. Da bin ich wieder beim Regen. Zurzeit regnet es sehr wenig. Das macht denen, die mit Landwirtschaft zu tun haben, auch denen, die ihre Gärten bearbeiten, Sorgen. Tatsächlich kann das auch eine Bitte für unsere täglichen Gebete sein, genug Regen und damit Feuchtigkeit zu haben.
Es kann uns aber auch deutlich werden – und das aber nur in schwachen Ansätzen – was es für Menschen heißen muss, wenn es seit Monaten, ja zum Teil Jahren, nicht mehr geregnet hat. Was Dürre und Missernten auslösen, davon sind wir im wahrsten Sinne des Wortes ‚sehr weit‘ entfernt. Und trotzdem und gerade braucht diese Notlage unsere spirituelle und finanzielle Unterstützung.
„Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten…“, so haben es die Kinder aufgeschrieben für uns. Der Spruch ist wieder verwischt. Aber die Zusage bleibt bestehen. Über Generationen, über Ländergrenzen und über Kontinente hinweg – und sie gilt besonders in Zeiten der ‚Dürre‘.
Es ist unsere Aufgabe, das Vertrauen in Gottes liebevollen Segen lebendig zu halten.
Bleibt behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
Evtl. lebt jemand in der Nachbarschaft, die/der das auch gerne täglich lesen würde. Vielleicht können Sie die Andacht ausdrucken und verteilen. Danke!
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…du sollst ein Segen sein.
Ja, es geht für manche Firmen und Betriebe langsam ans „Eingemachte“ und es ist richtig, dass finanzielle Hilfe vom Staat kommt. „Schnell und unbürokratisch“ – und das ist dann tatsächlich im hochbürokratischen Deutschland umgesetzt worden.
Und – es ist kaum zu glauben – genauso schnell nutzen Menschen die Notsituation anderer aus und bereichern sich in diesen Zeiten mit Geldern, die ihnen nicht zustehen. Falsche Anträge sind gestellt worden, auf betrügerische, kriminelle Weise. Und andere erhoffen, auch etwas von dem Geldsegen abzubekommen, obwohl sie nicht in wirklicher Geldnot sind.
Was ist der Mensch?
Diese Betrügereien sind gegenüber den großen, systematischen Ausbeutungen und z.T. totbringenden Machenschaften von mafiösen Organisationen und rücksichtslos agierenden Großkonzernen ‚peanuts‘. Trotzdem macht es mich wütend.
Was ist der Mensch?
„Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.“ Ja, das ist wohl auch so. Aber nicht nur! Wir können uns auch gegenseitig zum Segen werden.
Das eine gilt es aufmerksam zu sehen und zu kritisieren und das andere gilt es zu fördern, wo es nur möglich ist.
Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. 1. Mose 12, 2
Ich wünsche uns, dass wir immer wieder die Erfahrung machen, dass wir wirklich (!) reicher werden, wenn wir teilen, wenn wir abgeben, wenn wir für andere da sind.
Wie schön, wenn die Kinder hier in Staufenberg, und sicher auch woanders, aufgefordert werden, für ältere, einsame Menschen Bilder zu malen, Briefe zu schreiben oder eine wie auch immer gestaltete Botschaft zu entwerfen. Sven Iffland und Bärbel Milke sammeln die Werke dann und kümmern sich drum, dass die Sachen auch bei den entsprechenden Menschen ankommen.
„…und DU sollst ein Segen sein!“ Gott hat uns bereits seinen Segen gegeben: unsere Fähigkeiten FÜR andere da sein zu können, auf unterschiedliche Weisen.
Gerade hab‘ ich eine Postkarte an meine Mutter geschrieben, die ich jetzt zum Briefkasten bringe. Sie ist im Pflegeheim, wir von der Familie dürfen nicht zu ihr und sie freut sich bestimmt über die Karte.
Bleibt gesund, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Teilen
„Alles wird gut!“ „Das wird schon wieder!“ „Wir schaffen das!“ „Du brauchst dir keine Sorgen machen!“ – solche und ähnliche gute Worte brauchen wir immer mal wieder als wohlgemeinten Zuspruch.
Wir hören zwischen den Worten aber auch die Skepsis, das Nicht-Glauben, dass diese Worte nicht stimmen.
„Wann wird es wieder gut?“ „Schaffen das wirklich alle?“ „Ich bekomme es nicht hin, mir keine Sorgen zu machen.“
Ja, wir fragen uns in diesen Tagen, seitdem wir wissen, dass Ausgangsbeschränkungen, Abstandsregeln und anderes mehr verlängert wurden, „Wie lange noch?“.
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Markus 9, 24
Für manche ist diese Zeit eine echte Belastungsprobe. Und inzwischen werden Widersprüche lauter, kritische Töne vehementer und Skepsis gegenüber der Strategie der Regierung größer. Ich trage die Entscheidungen der Regierung größtenteils mit.
Ich frage mich aber auch, warum wir keine Gottesdienste – natürlich mit strikter Einhaltung der sichernden Vorgaben – feiern können? Es war wirklich sehr erfreulich, wie groß die Resonanz auf den Karfreitagsgottesdienst war, den wir mit der hervorragenden Hilfe von Jana und Simon Opper realisieren konnten. Einige Hundert Menschen haben das Video vom Gottesdienst gesehen und die Reaktionen waren wirklich erstaunlich. Wer sich da alles gemeldet hat – mit vielen hätte ich absolut nicht gerechnet.
Aber Gottesdienst in Gemeinschaft ist nun doch einfach was völlig anderes. Auch wenn wir mit zwei Meter Abstand sitzen würden, so würden wir uns doch im Raum ‚spüren‘, würden uns sehen und hören – wir wären da!
Und genau das – die Gemeinschaft! – stärkt meinen Glauben. Wir müssen in der nächsten Zeit genau überlegen und entscheiden, wo und wie wir außer durch unsere Gebete helfen und unterstützen. Ob wir z.B. die Organisation „Sea watch“ finanziell unterstützen und so konkret helfen können, Menschenleben im Mittelmeer zu retten – und nicht wie wir in den Ostertagen hören mussten, dass ein Flüchtlingsboot, obwohl deren Notlage bekannt war, von Frontex (Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache) nichts unternommen wurde und alle Insassen ertrunken sind. Ob wir der „Brücke“ (Tagesstätte für Wohnsitzlose, Diakonisches Werk Gießen) fördernd zur Seite stehen – oder welche konkrete Hilfe uns noch einfällt (Bitte Vorschläge nennen!). Wir sind gefordert und wir dürfen nicht einfach „nur“ dankbar sein, weil es uns noch nicht ‚erwischt‘ hat, gesundheitlich oder finanziell.
Sooft reden wir davon, dass wir das Leben teilen wollen – jetzt gilt’s! Und dann wird – das allermeiste – gut!
Bleibt gesund, Gott segne uns!
Traugott Stein, Pfarrer Gemeinde Kirchberg
Evtl. lebt jemand in der Nachbarschaft, die/der das auch gerne täglich lesen würde. Vielleicht können Sie die Andacht ausdrucken und verteilen. Danke!
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Liebe Gemeinde,
heute möchte ich Sie und euch zum Singen einladen. Lassen Sie uns gemeinsam "Meine Hoffnung und meine Freude" singen.
Grundlage für den Text des Liedes ist Jesaja 12, 2: Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil.
Nicht immer ist unser Herz voll Vertrauen. Dann kann es helfen Rituale zu kennen und sie zu praktizieren. Ein Lied kann so ein Ritual sein, durch das wir uns mit Gott in Verbindung setzen, zur Ruhe kommen und um Vertrauen bitten. Dieses Vertrauen auf Gott wünsche ich uns allen. Ein tiefes Vertrauen, das uns die Furcht nimmt und uns Freude, Hoffnung und Stärke schenkt.
Das Lied, das ich mit Ihnen singen möchte, kommt aus Taizé und wird dort in meditativer Weise wiederholt gesungen. Sie können den folgenden Link öffnen und mitsingen.
https://www.youtube.com/watch?v=kBmgOnQM3Ws
Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht. Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht` mich nicht, auf dich vertrau ich und fürcht` mich nicht.
Ich wünsche uns allen einen strahlenden Tag mit Hoffnung, Freude und Gottes Segen.
Herzliche Grüße, Ronja Vinzent
Andacht am 15.4.2020
Ich würde gerne abhauen...ein Loch in die Mauer reißen…über den Zaun klettern und aus diesem Corona-Wahnsinn fliehen.
Mir reicht es….mit all den Kontakt-Sperren, Regeln, Verboten, geschlossenen Grenzen. Mir reicht es mit all der Einsamkeit und Zurückgezogenheit. Wie lange soll das noch so weitergehen? Wie lange halten wir es noch aus? Und was macht das mit uns?
Ich verstehe, dass es in diesen Wochen wichtig ist aufzupassen und vorsichtig im Kontakt zu sein, besonders mit Risikogruppen. Doch gleichzeitig frage ich mich, ob wir uns nicht zu sehr auf dieses eine Thema fokussieren und ob die Strategie, die wir gewählt haben, die richtige war und ist.
Solidarität, ja wir leben sie in diesen Tagen, indem wir Abstand halten. Doch unsere Solidarität endet an den eigenen Nationalgrenzen. Was ist mit all dem Leid, das außerhalb von Deutschland geschieht? Was ist mit all den Menschen, die kein Zuhause haben, in dem sie sich zurückziehen können, weil sie auf der Flucht sind, in Lagern gefangen gehalten werden oder obdachlos sind? Was ist mit all den Menschen, die ihre finanzielle Existenz in diesen Wochen verlieren? Was ist mit all der häuslichen Gewalt, die unter den aktuellen Bedingungen stark zunimmt? Wo leben wir gerade Solidarität und an welchen Stellen blenden wir unsere Verantwortung aus?
Ich bin in diesen Tagen oft ratlos und frage mich, was in Zeiten von Corona meine Aufgabe ist und welche Aufgabe Kirche insgesamt wahrnehmen sollte. Was würde Jesus wohl machen?
Ich würde mich freuen von Ihren und euren Meinungen zu lesen. Schreiben Sie bzw. schreibt mir gerne eine E-Mail, dann werde ich Ihre und eure Gedanken sammeln und nächste Woche auf der Homepage veröffentlichen.
E-Mail-Adresse: ronjavinzent@posteo.de
Ich wünsche Ihnen und euch viel Mut, Hoffnung und Gottes Segen.
Herzliche Grüße, Ronja Vinzent
Tägliche Andachten 14.4.2020
Ostern – das ganze Jahr!
Ihr Lieben,
„Was für ein schönes Osterfest. Und dann war das Wetter auch noch so schön!“ Nur zu gerne hätte ich diese Worte sagen können. Es war zwar in der Tat „den Umständen entsprechend“ schön, aber eben nur den Umständen entsprechend.
Als früh morgens zwei bekannte Menschen in die Kirche kamen, hatte ich kurzzeitig den inzwischen doch gut unterdrückten Impuls, beide zum Ostergruß zu umarmen. Wir haben uns aber auch ohne Umarmung sehr herzlich ein gesegnetes Osterfest gewünscht. „Der Herr ist auferstanden!“ und die Antwort: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Wenn auch mit einem Tag ‚Verspätung‘ darf ich Ihnen und euch nachträglich wünschen:
„FROHE, GESEGNETE UND FRIEDVOLLE OSTERN!“
Diesen Gruß könnten wir uns genau genommen das ganze Jahr über zusagen. Gerade dann, wenn wir Ostern nicht als Datum verstehen. Nicht als ein geschichtliches Ereignis, das im Kalender fest-gehalten und fest-geschrieben ist. Dass wir Ostern nicht ‚fest im Griff‘ haben, hat uns die besondere Situation dieses Jahr gezeigt. Was dieses Jahr zu Ostern alles ‚lebendig‘ geworden ist, hätten wir uns zum Teil nicht träumen lassen: Dass Ostern auch gefeiert werden kann mit Abstand und über große Distanzen hinweg, dass ansonsten salopp dahin gesagte Wünsche diesmal viel ernster geäußert wurden, dass wir unser Grundbedürfnis nach Nähe und Gemeinschaft ganz intensiv gespürt haben u.a.m.
Ostern 2020 wird uns immer in Erinnerung bleiben. Was das diesjährige Fest in uns ändern wird und nachhaltig für uns anders sein lässt, werden wir erst in ein paar Jahren sagen können. Vielleicht werden wir auch viel schneller zur alten ‚Normalität‘ zurückkehren als gedacht.
Meine große Hoffnung ist allerdings, dass genau das nicht geschieht. Und ich glaube das auch nicht. Unsere Grüße und Wünsche – z.B. „Und bleib gesund!“ – werden lange nachwirken. Ebenso „Bleibt behütet.“ Die Frage, ob wir etwas füreinander tun, besorgen, erledigen können, werden wir weiterhin stellen. Solidarität, Nächstenliebe und die Einsicht, dass wir nicht „einfach so weitermachen können wie bisher“ haben wieder einen festen Platz in unserem Denken und Handeln gefunden.
Ich hoffe und bete, dass es uns gelingt, uns all das zu bewahren und an andere weitergeben zu können.
Jetzt braucht es unsere Sensibilität für die, deren Lebensgrundlage zu schwinden droht. Es hört sich vielleicht etwas hart an, aber ‚Gebete allein‘ reichen da gegebenenfalls nicht. Ob Nächstenliebe auch hier bis an unseren Geldbeutel geht? Wir sind gefordert, weil Ostern uns herausfordert. „Frohe Ostern!“ darf nicht frommer Wunsch für zwei Tage bleiben und dann bis zum nächsten Jahr eingepackt werden wie der Osterschmuck.
„Der Herr ist auferstanden!“ ist Herausforderung, heißt gemeinsames Aufstehen gegen Benachteiligung Einzelner, will uns motivieren, Leben in Gerechtigkeit zu sichern.
So können wir Ostern das ganze Jahr feiern.
Bleibt behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Hinhören
‚Karsamstag‘ oder ‚Ostersamstag? Es heißt richtig ‚Karsamstag‘. Kreuzigung bis Auferstehung sind eine Einheit. Und somit ist noch nicht Ostern. „Kar“ kommt von ‚Kara‘, d.h. Leiden. Keine ‚leichten‘ Tage, Karfreitag und Karsamstag. Aber das sind in diesen Wochen alle Tage – nicht leicht.
Es ist schon sehr erfreulich, was jetzt in den Tagen vor Ostern alles über unseren christlichen Glauben und über die Hoffnungen so vieler Menschen zu lesen ist. Die wenigen pessimistischen Stimmen, die einzelnen religiösen Endzeitbeschwörer oder gar die verqueren Äußerungen von Verschwörungstheoretikern können wir getrost vernachlässigen.
Es bestätigt sich gerade, was wir unseren Konfirmanden (und auch anderen) immer wieder mal bei der Frage „Was eigentlich ‚Gemeinde‘ ist und wer dazu gehört?“, nahe bringen will. Nämlich, dass viel mehr Menschen Gemeinde darstellen, als nach außen erkennbar ist. Dass viel mehr Menschen beten, als wir das sehen und wahrnehmen können. Schön, dass sich jetzt mehr Menschen trauen und dazu stehen.
Die Osterhoffnung ist offensichtlich tiefer ‚in uns‘, in vielen von uns verwurzelt, als wir vielleicht dachten. „Der Tod hat nicht das letzte Wort“, das hat gestern in den Tagesthemen nicht nur unser Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm gesagt, so steht es z.B. auch heute in einer Gießener Zeitung in einem Kommentar, so sagen es selbst manche Prominente derzeit in Interviews.
Wir haben zugegebenermaßen ein großes Projekt gestartet, von dem wir vorher nicht wussten, wie umfangreich das wurde, und haben einen Karfreitagsgottesdienst aufgenommen und ins Internet gestellt. Viele Stunden, besonders von denen (Jana und Simon, ganz großen Dank!)), die für Bild und Ton zuständig waren. Die vielen guten Rückmeldungen haben uns ebenso gefreut wie erstaunt. Ich war wirklich von der ‚Attraktivität‘ (etwas unpassendes Wort in dem Zusammenhang) des Karfreitag überrascht. Vikarin Ronja Vinzent hat mich dann aber auch noch mal erinnert, dass in den letzten Jahren zunehmend mehr Menschen in die Karfreitagsgottesdienste kamen. Das stimmt. Vielleicht keine stätig ansteigende Zahl, aber auffällig mehr Menschen.
„Wir gehen hinauf nach Jerusalem“ Lukas 18,31 und EG 545
So heißt ein Gesangbuchlied und so steht es in gewisser Weise über der gesamten Passionszeit. Und da sind wir jetzt angekommen. ‚Jerusalem‘, das steht in dem Zusammenhang für das Leiden der Welt. Für das Leiden Gottes an dem, was entgegen zu seinem Schöpfungswillen an Zerstörerischem, Mörderischem, Ausbeuterischem der Natur, den Tieren und den Menschen Lebensqualität, Freiheit und Leben nimmt.
Und „dennoch“ (Psalm 73) bleibt Gott an unserer Seite. Hält all das Schreckliche mit aus, geht mit in den Tod und hält die Hoffnung lebendig.
Die Hoffnung stirbt für uns, die wir vom Glauben getragen werden, nicht (!) zuletzt. Sie bleibt lebendig – auch im Sterben und im Tod.
Das wollen uns Karfreitag und auch der Karsamstag sagen! Wenn wir stille genug sind und hinhören, hören wir es.
Heute schon, dürfen wir euch und Ihnen, auch im Namen des Kirchenvorstands, wunderschöne Ostertage wünschen. Die nächste Andacht kommt am Dienstag. Im Rahmen der sinnvollerweise eingeschränkten Möglichkeiten feiert Gottes Auferstehung – seinen Aufstand gegen den Tod – ausgiebig. Schaut die Ostergottesdienste im Fernsehen (Sonntag 9:30 Uhr ZDF) und Internet: Osterandacht aus Treis auf Youtube). Nächstes Jahr werden wir das dann wieder gemeinsam feiern!
Bleibt behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfr. und Ronja Vinzent, Vikarin
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Hintergrund
Unsere Tradition des Gründonnerstagsfestes lehnt sich an die jüdische Tradition des Passah-Festes an, denn nach christlicher Überlieferung des zweiten Testaments, feierte Jesus noch am Abend bevor er dann den römischen Besetzern ausgeliefert wurde, zusammen mit seinen Freund*innen gemeinsam das Passah-Fest. An diesem erinnern sich Jüd*innen bis heute an die Befreiung aus der Versklavung und den Auszug aus Ägypten- hierfür kommen Familien zusammen, alt und jung und es gibt ein ganz ausgiebiges Festessen. Bei diesem hat jede Speise eine symbolische Bedeutung und die Kinder fragen die Alten nach der Bedeutung- durch die Erklärungen setzt sich nach und nach die Geschichte der Befreiung zusammen. Zu Essen gibt es zum Beispiel Lamm, bittere Kräuter und ungesäuertes Brot. (Vgl. Exodus 12, 3-10)
Liebe Gemeinde,
heute Abend wären wir eigentlich in der Kirche auf dem Kirchberg zusammen gekommen. Wir hätten zusammen gegessen, Lieder gesungen, Worte aus der Bibel gehört und Gott gedankt. Leider ist es heute nicht möglich, aber vielleicht können wir es uns vorstellen, wie es sich anfühlt mit Jesus am Tisch zu sitzen. Jesus wurde von seinen Feinden Fresser und Säufer genannt. Er feierte und genoss das Leben. Aber es waren keine normalen Zusammenkünfte, die er organisierte. Er versammelte alle, die sonst aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren: Wohnungslose, Kranke, Unterdrückte, Sex-Arbeiterinnen,...all diejenigen, die gerne vergessen und verschwiegen werden, weil sie nicht rein passen... in unsere Vorstellungen.
Auch, wenn wir heute nicht zusammen kommen können, sind wir eingeladen uns von dieser Botschaft berühren zu lassen. Wenn wir nach Corona wieder zusammen kommen, die Schere zwischen Arm und Reich noch größer wurde, noch mehr Menschen arbeitslos sind und wir uns an eine Solidarität gewöhnt haben, die an den Grenzen des eigenen Landes endet, dann brauchen wir Feste, wie das an Gründonnerstag, um uns daran zu erinnern, dass wir alle Nähe, Freude und Gemeinschaft brauchen. Vielleicht lässt uns das Bild von Jesus mit all den Ausgestoßenen, Verschwiegenen und unsichtbar gemachten Menschen dann wieder neu erahnen, dass eine andere Welt möglich ist.
Ich wünsche Ihnen und euch einen gesegneten Gründonnerstag mit Mut und Hoffnung.
Gott segne Sie und euch!
Herzliche Grüße, Ronja Vinzent
Tägliche Andacht 09.04.2020 (Gründonnerstag)
Mitgehen
Ich war nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte: 50 von mehreren Tausenden Kindern, die auf der Flucht sind? 50 von 20.000, manche sagen sogar 25.000 Kinder auf den griechischen Inseln. 50 unbegleitete Kinder, will Deutschland aufnehmen – und das auch nur, wenn andere europäische Staaten mitmachen. Kinder, von denen manche in dem Flüchtlingslager „Moria“ leben müssen. „Moria“, konzipiert für 3000 Geflüchtete – inzwischen sind es über 20.000 Menschen, die dort…ja, was soll ich sagen?...hausen, dahin vegetieren, gehalten werden? ‚Abgehalten werden‘ trifft es vielleicht am besten.
Viele Milliarden lassen es sich die europäischen Staaten kosten, Menschen auf der Flucht, auf der Suche nach Sicherheit, nach Freiheit, nach Zukunft aufzuhalten und ‚abzuhalten‘, nach Europa zu kommen. Ich glaube nicht, dass sich diese mächtige Energie aus Verzweiflung, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Überlebenswille und Freiheitsdrang an den Grenzen dauerhaft aufhalten lässt. Schon gar nicht, wenn Menschen menschenunwürdig in solchen Lagern wie Moria (ab)gehalten werden.
Katrin Glatz-Brubakk, norwegische Kinderpsychologin von „Ärzte ohne Grenzen“ weiß, worunter ihre jungen Patienten im Lager leiden:
„Die Kinder und Jugendlichen kommen durch Krieg und Flucht schon teils mehrfach traumatisiert ins Camp. Die Lebensbedingungen hier machen sie noch kränker. Ich erlebe ganz kleine Kinder, bis zu Zweijährige, die sich selber beißen oder sich Haare ausreißen, weil sie so traumatisiert sind, dass sie nicht mehr wissen, wohin mit sich und ihren Gefühlen. Es sind Kinder, die sich total unreguliert verhalten. Manche schlagen den Kopf gegen die Wand.“ (Der Tagesspiegel)
Das Zitat stammt aus dem Oktober 2019. Zu der Zeit waren ‚nur‘ 13.000 Menschen in dem Lager und Frau Glatz-Brubakk als einzige Kinderpsychologin für 4000 (!) potentiell traumatisierte Kinder und Jugendliche zuständig. Über den Winter sind die Zustände dramatisch schlimmer geworden.
Lasst uns gehen, den Herrn anzuflehen und zu suchen den Herrn Zebaoth; wir wollen mit euch gehen. Sacharja 8, 21
Ich weiß, dass, wenn ich den heutigen Lehrtext auf unsere Situation mit der Fluchtthematik so vieler Tausender Menschen auf dieser Erde in Verbindung bringe, ich dem Bibeltext nicht ganz gerecht werde (– das machen wir aber in so manch anderen Situationen auch und schauen nicht genau nach dem biblischen Zusammenhang). Wenn ich diese Worte aber auf mich wirken lasse und die Berichte höre, die Bilder sehe, wenn es um Flucht geht, dann wird mir klar: Wir gehen nicht mit. Im Gegenteil. ‚Wir‘ halten auf, wir stoppen, wir grenzen aus.
„Es können aber doch nicht alle…“ sofort kommen die ersten Einwände, weil viele von uns Wohlstand und Sicherheit – beides dürfen wir nur genießen, weil wir zufällig hier geboren wurden – gefährdet sehen, nicht aber die Not von Menschen auf der Flucht. Nein, es gibt keine einfachen Antworten. Es muss aber gut überlegt werden, ob nicht doch jeder Euro, der in die Militarisierung unserer Grenzen gesteckt wird, nicht besser in die Bekämpfung der Fluchtursachen investiert werden müsste. Deutsche Waffenexporte sind dabei ein riesengroßes Thema.
Heute ist Gründonnerstag. ‚Noch‘ gehen die Jünger mit Jesus mit. Jesus teilt mit ihnen Brot und Wein. Teilt mit ihnen ihre Hoffnungen und Ängste. Teilt ihnen seine Hoffnung mit: den Weg der Nächsten- und der Gottes-Liebe und der Gerechtigkeit konsequent zu gehen. Denn „…die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Kor. 13,13)
Lachen oder weinen – beim letzten Festmahl zum Pessach gab es für Jesus und seine Jünger auch nichts mehr zu lachen. Zu ernst war die Lage.
Bleibt behütet, Gott segne uns. Traugott Stein, Pfarrer
Morgen auf unserer Homepage (https://evangelisch-kirchberg.ekhn.de): Karfreitag-Gottesdienst
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Sonnen-Freude
Ihr Lieben,
„Klopapier haben wir noch, uns fehlen langsam die Gummiringe.“ Das hab‘ ich gestern spaßeshalber zu einer unserer Austrägerinnen der ‚Täglichen Andachten‘ gesagt. Gemeint sind die kleinen bunten Gummiringe, mit denen ich immer die eingerollten Andachten fixiere. In Wirklichkeit haben wir noch viele und die werden wahrscheinlich auch noch lange reichen. Und mir ist auch nicht bekannt, dass es zurzeit einen Versorgungsengpass für kleine, bunte Gummiringe geben würde.
Aber es ist sehr erfreulich, dass täglich doch eine ganze Reihe von Andachten hier an der Kirche abgeholt, verteilt und gelesen werden. Ihnen, die Sie die Andacht online lesen können, fällt vielleicht jemand in der Nachbarschaft ein, für den Sie die Andacht ausdrucken und vorbeibringen können.
So wird etwas weitergegeben, was möglicherweise guttun, anregen oder motivieren kann.
So auch der Lehrtext der Herrnhuter Brüdergemeinde für den heutigen Tag:
Eure Traurigkeit soll zur Freude werden. Joh.-Ev., Kap. 16, 20
Wenn wir uns anstecken lassen, von diesem freudigen Zuspruch, dann hat das Wirkung auf andere. Friedrich von Bodelschwingh schreibt passend dazu:
„Es ist unmöglich,
dass ein Mensch in die Sonne schaut,
ohne dass sein Angesicht davon hell wird.“
Wir kennen den Wunsch, uns dem Licht zuzuwenden, heller zu werden, die Schatten vergangener Belastungen hinter uns zu lassen. Gottes Liebe möge uns direkt ins Herz scheinen, das kühle Gemüt erwärmen und die Seele zum Leuchten bringen. Gottes Kraft lasse uns strahlen von innen heraus und anderen ein Licht sein. (Dr. Martin Zentgraf)
Bleibt behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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„Eindrückliche“ Zeit!
Ihr Lieben,
aus dem Kloster Königsmünster in Meschede habe ich vor einigen Jahren aus der dortigen Schmiede eine kleine Metalltafel erworben. Ein Kreuz eingedrückt in die unebene, etwas wellige Oberfläche. Ich weiß nicht, was das für ein Metall ist, aber es ist ein relativ weiches Material.
Einen „Eindruck“ hinterlassen – das geschieht ständig, wenn wir miteinander zu tun haben. Da geht es manchmal um Momenthaftes, um die Tagesform. Es geht aber meist auch um das Grundsätzliche, um unser Inneres, unser Wesen, unseren Charakter. Wir spüren gegenseitig wie „wir sind“.
In den ersten Tagen der Corona-Krise hieß es: „Das ist ein Charaktertest.“ Ja, jetzt zeigt sich, wie wir sind. Wie wichtig wir uns sind. Wie wir geprägt sind und was in uns „eingedrückt“ ist.
Erziehung, Werte und Glaube sind dabei ganz wichtig.
Wir hatten ja die Möglichkeit angeboten für den Gottesdienst, den wir für Karfreitag aufnehmen, Gebetsanliegen an uns weiter zu geben. In einem heißt es: „Unser Leben wird um Vieles reicher, wenn wir versuchen, das Füreinander in den jetzigen, besonderen Alltag hineinzunehmen. Da helfen junge Menschen alten Leuten, Kranken, Pflegebedürftigen, die sie gar nicht kennen. Solche Begegnungen können „Sternstunden“ sein, …“
Ja genau. Wir lassen unseren „Eindruck“ nach außen. Lassen ihn andere spüren, die uns auf unterschiedliche Weise brauchen.
Jesus sprach zu den Jüngern: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Markus 4,40
In der heutigen Losung der Herrnhuter Brüdergemeinde fragt Jesus genau das ab: Welchen „Eindruck“ habt ihr und gebt ihn an andere weiter? Ist das der Geist der Angst, des inneren Rückzugs und des Bemühens, das nur dem eigenen Wohl dient? Oder seid ihr angetrieben von Nächstenliebe, von Mitgefühl und selbstloser Hilfsbereitschaft?
Was auch immer jede/r von uns mit dem Kreuz verbinden mag. Für mich steht es genau für diese besondere Form der Solidarität, die wir „Nächstenliebe“ nennen. „…bewegt von Gottes Geist, dass wahr wird, sich erfüllt, was wahres Leben heißt.“
So hatte ich es vergangenen Samstag schon zitiert. Darum geht es. Das hält Gott für uns bereit und dazu hat er/sie uns befähigt.
Es ist unsere Entscheidung, welchen „Eindruck“ andere von uns haben.
Bleibt behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer der Gemeinde Kirchberg
Evtl. lebt jemand in der Nachbarschaft, die/der das auch gerne täglich lesen würde. Vielleicht können Sie die Andacht ausdrucken und verteilen. Danke!
Teilen Sie bitte unsere Adresse: evangelisch-kirchberg.ekhn.de
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Zusammenhalt
Ihr Lieben,
es hat zwar schon vor einiger Zeit angefangen, aber jetzt geht es richtig los mit Schuldzuweisungen. Staaten werfen sich gegenseitig vor, die Ausbreitung des Covid19-Virus ausgelöst, nicht früh genug eingedämmt, über dem Land ausgebracht, durch bestimmte Essgewohnheiten provoziert zu haben. Verschwörungstheorien. Bewusste Falschmeldungen. Fake News. Lügen. Politische Interessen.
„Einer muss doch schuld sein!“ Wir kennen dieses Bedürfnis nach Ursachenforschung, nach Erklärung – aber das ist häufig auch Ablenkung, Verdrängung von dem, was mein eigener Anteil an der Sache.
„Langsam!“ höre ich den ersten Einwand. „Was hat denn diese Krise mit mir und meinem Verhalten zu tun?“
Mir geht es sicher nicht um Schuldzuweisungen und heute werden wir auch nicht die eigentliche Ursache ergründen. Das ist eine sehr komplexe Sache, deren Erforschung wir neutralen Experten überlassen sollten.
Mir geht es heute darum, was die Folgen der Ausbreitung und das Bemühen um die Verlangsamung der Ausbreitung mit uns machen. Es ist ein schwieriges (politisches) Geschäft diese Herausforderung zu managen. Dazu hab‘ ich bereits vor einigen Tagen (21.3.) etwas geschrieben. Inzwischen müssen wir aber immer auch die Fragen im Blick haben: „Was geben wir derzeit alles auf?“, „Wie können wir wieder zur Normalität finden?“, „Welche ‚Opfer‘ sind wir noch bereit zu geben und wie lange lassen wir uns in unseren Grundrechten eingeschränkt sein?“
Innerhalb sehr kurzer Zeit hat sich unser gesellschaftliches Leben total verändert. Das, was für uns auch Lebensmittel, Mittel zum Leben ist, ist weitestgehend in den Hintergrund geraten: gemeinschaftliches Leben. Abstand halten – Ja. Aber wie lange halten wir es aus, auf Kontakte, Begegnung, Umarmung zu verzichten, unsere Freiheit eingeschränkt zu lassen und – was es für immer mehr auch bedeutet – nicht mehr zur Arbeit zu gehen.
Lobet Gott in den Versammlungen. Psalm 68, 27
Die Losung für den gestrigen Palmsonntag hat mich kurz zum Lachen gebracht. Und dann ist mir aber auch gleich wieder der Ernst dieses Wortes begegnet. Unser religiöses Leben kommt in diesen Tagen sicher nicht zum Erliegen. Aber ‚Versammlung‘ geht nicht – und dabei ist es doch so wichtig. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Gott ist natürlich und auch gerade da, wo wir alleine sind. Aber unser tiefes Bedürfnis nach Miteinander bleibt unbefriedigt.
Einige wenige Menschen kommen zu den Läutezeiten zu uns in die Kirchen. Kerzen werden angezündet. Gebete werden gesprochen. Ich werde nicht dazu einladen, zusammen zu kommen. Das darf ich nicht. Aber das, was da zurzeit in der Kirche geschieht, ist ganz besonders. Keine Massenveranstaltung – gut so – aber da „geschieht“ Kirche. Im Gebäude Kirche lebt Kirche.
Ich weiß, dass viele mit denen verbunden sind, die den Weg in die Kirche und zum Altar finden. Menschen, die zuhause bleiben müssen, weil ihre Familie ihnen aus Altersgründen das Rausgehen auf das Minimum untersagt hat; Menschen, die sich selbst schon lange den Weg in die Kirche untersagt haben, weil sie die Bindung verloren haben; Menschen, die sich zwar für andere Wichtigkeiten entschieden haben, die aber die Wichtigkeit um Gottes Liebe spüren.
Es ist Karwoche – manche/r bringt diese Woche auch mit Schuld in Verbindung. Mit Gericht, mit Ver-Urteilen, mit Tod. Aber das ist falsch. Es geht um Ver-Bindung, um Zusammen-Halt, um Mit-Leiden. Weil Gott genau das alles nicht aufgegeben hat, hält er mit uns Kreuz und Tod aus und eröffnet uns ein neues, sinnerfülltes Leben.
Krise – ja. Aber wir verlieren die Chance auf Neues nicht aus den Augen. Das hält und führt uns zusammen.
Bleibt behütet, Gott segne uns. Traugott Stein, Pfr.
Für Karfreitag planen wir einen Gottesdienst, der auf Youtube gesehen und dann geteilt werden kann. Wer uns Gebetsanliegen zusenden möchte, die dann im Fürbittengebet aufgenommen werden, kann uns diese schicken (traugott.stein@ekhn.de).
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Friede euch allen
Ihr Lieben,
gestern haben wir vom Kirchturm das hebräische Lied ‚Hevenu schalom alejchem‘ geblasen. Freitags um 18:00 Uhr beginnt der Schabbat für unsere jüdischen Schwestern und Brüder. Für Christen wurde in der frühen Christenheit, sozusagen parallel zum Judentum der Sonntag zum heiligen Tag. Weil am „ersten Tag der Woche“ (nach jüdischem und somit auch nach neutestamentlichem Verständnis) Jesus aus dem Tod zu einem neuen, grenzenlosen Leben auferstand.
Wir spüren hier und da noch die vor Jahrzehnten noch verwurzeltere Tradition, dass am Samstag alles schön gemacht und für den Sonntag vorbereitet sein muss. „Samstags wird die Gass‘ gekehrt!“ ist eine der letzten privaten Maßregelungen, die die Vorbereitung dieses nach wie vor besonderen Tages betrifft.
Auch wenn wir im dörflichen Leben – wobei wir ja genau genommen “im städtischen“ sagen müssten – so gut wie keine jüdischen Realitäten erleben, war es uns gestern wichtig, unsere Nähe zur jüdischen Religion, aus der sich die unsrige entwickelt hat, durch dieses Lied zu zeigen.
‚Hevenu schalom alejchem‘ – ‚Wir wollen Frieden euch allen‘. Evangelische Gesangbuch Nr. 433
Mich versetzt dieses Lied immer etwas in Weihnachtsstimmung. „Und Friede auf Erden“, das ist die Botschaft der Engel, der Boten Gottes. Das ist die Zusage an uns alle – und das alle Tage im Jahr. Das Entscheidende dabei ist, das wir die „Friedenmacher“ sind (Matthäus-Evangelium, Kap. 5, Vers 9). „Kein Engel steigt herab, der Frieden schnell mal schafft…“ heißt es in dem Lied ‚Ich kenne Gottes Ruf‘. „…vielmehr hängt es an mir, bewegt von Gottes Geist, dass wahr wird, sich erfüllt, was wahres Leben heißt.“ Was heißt ‚wahres Leben‘ in diesen Tagen, in denen wir so manchen Mangel erfahren?
Vielleicht heißt es genau das, dass wir uns besinnen und konzentrieren auf das, was das ‚Wahre‘ ist. Dass nicht die Ware das Wahre ist. Sondern Dankbarkeit, Zufriedenheit, gerechte Verteilung, Gerechtigkeit für alle, Demokratie statt Diktatur, Nachhaltigkeit, Teilen statt (Aus-)Grenzen.
Uns kann in diesen Tagen Vieles einfallen, was das Wahre im Leben, was der wahre Frieden ist – und wie wir, du und ich, Frieden in und für diese Welt leben können. In unseren Familien, in unseren Häusern, der Nachbarschaft, in Kommune und Land.
Heute, Samstag, bereiten wir den Sonntag vor, an dem wir normalerweise Gottesdienst feiern. ‚Normal‘ ist zurzeit ja kaum etwas. Aber wir wollen auf unterschiedliche Weise Gottesdienst feiern (s. ‚Tägliche Andachten’ vom 29.3. zum Thema ‚Gottesdienst‘).
Gerade bereiten wir einen Gottesdienst für Karfreitag vor, der über unsere Homepage auf Youtube geschaut werden kann. Wer möchte, kann an mich Gebetsanliegen weiterleiten (Briefkasten Friedhofstr. 7 oder traugott.stein@ekhn.de). Vielleicht geht es dabei auch um Frieden, um Ausgleich, um Fragen und Nöte, um Hoffnungen und Wünsche.
Es geht um uns, unsere Einsicht und unsere Konsequenz – ansonsten entscheiden und machen andere.
Friede auf Erden kann nur durch uns und Gottes Hilfe werden.
Bleibt behütet, Gott segne uns. Für morgen lade ich zu Radio- oder Fernseh-Gottesdienst ein.
Traugott Stein, Pfarrer
Evtl. lebt jemand in der Nachbarschaft, die/der das auch gerne täglich lesen würde. Vielleicht können Sie die Andacht ausdrucken und verteilen. Danke!
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Zeit-nutzen
Geht es Ihnen auch so, dass Sie inzwischen manchmal überlegen müssen, welcher Wochentag ist? Das scheint in diesen Wochen immer weniger Bedeutung zu haben. Wir sind in der dritten Woche zunehmender Einschränkungen bzw. von Sicherheits- und Rücksichtsmaßnahmen. Manche Tage werden für einzelne von uns ziemlich lang, andere erleben es genau umgekehrt und wundern sich, wo die Stunden geblieben sind. Hoffentlich geht das nicht den Jüngeren unter uns zu häufig so, weil die Zeit am Handy die Stunden einfach ‚nur so frisst‘.
Es gibt ja Menschen, die sehen hinter unserem Dasein auf der Erde, hinter unserem Leben keinen tieferen Sinn. Schon allein die Tatsache, dass wir ‚Zeit‘ haben hier zu sein, dass wir dieses Leben geschenkt bekommen haben, macht für mich schon Sinn und macht mich dankbar und demütig.
„Wie kann ich meine Zeit sinnvoll für mich und andere nutzen?“ Diese Frage ist für mich ein täglicher Motor meiner Arbeit und meiner Begegnungen mit Menschen. Ich weiß, dass für manche die beiden Worte „für andere“ in ihrer persönlichen Frage nicht vorkommen. Das möchte ich aber nicht vorwurfsvoll sagen. Sondern zunächst einmal feststellen und dann überlegen, wie wir motivierend anderen die Augen dafür öffnen können, dass wir eine viel größere Fülle erleben, wenn wir unseren Blick gerade auch für andere weiten und nicht uns selbst zu sehr im Focus haben.
Unsere Umweltministerin schlägt nachdenkliche Töne an, wenn sie sagt, dass wir unseren Umgang mit der Natur und das leichtfertige Zerstören von Ökosystemen bedenken müssen. Hört, hört.
Unser Innenminister sagt: „Wirtschaftliche Interessen dürfen den Schutz von Menschenleben nicht überlagern.“ Da frag ich mich, warum das extra und gerade jetzt überhaupt erwähnt werden muss. Das scheint so selbstverständlich, dass uns nicht gleich auffällt, dass es gar nicht selbstverständlich ist, sonst müsste es unser Innenminister ja nicht extra betonen. Das Gegenteil ist nämlich zu oft der Fall, aber das bekommen wir hier im Wohlstands-Deutschland nicht mit, wie sehr Menschen woanders auf dieser Welt genau wegen unseres Wohlstands leiden.
Meine Zeit steht in deinen Händen. Psalm 31, 16a
Es ist und tut gut, wenn unser Bundespräsident unsere Solidarität lobt und damit sagt: ihr nutzt eure Zeit auf gute und sinnvolle Weise. Wir brauchen uns jetzt gegenseitig, auf ganz unterschiedliche Art, praktisch handwerklich, im Gebet, finanziell.
Unsere Zeit – ein Geschenk. Und ein Geschenk kann es auch sein, wenn wir anderen in diesen Tagen Mut machen und Zuversicht spenden können. So wird ‚mein‘ Leben noch erfüllter, weil ‚andere‘ von mir etwas bekommen.
Überlegen Sie wie und bei wem Sie Ihre Zeit nutzen – es muss ja nicht gleich der ganze Ort sein.
Bleiben Sie behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Last mit Phantasie wegnehmen
Liebe Gemeinde,
so manche Nachrichten, die wir jetzt hören, empfinde ich durchaus als freudig-überraschend. Sie machen sogar noch etwas gelassener:
Menschen nutzen ihr großes Potential an Phantasie und sind kreativ, wie mit Engpässen in der Versorgung, beim gegenseitigen Helfen und Aufmuntern umgegangen werden kann. Von dem abendlichen Klatschen als Dank für all die Helfenden in den verschiedenen Bereichen öffentlichen Lebens ist hier auf dem Dorf noch nichts an meine Ohren gelangt – das ist wohl eher was für die Stadt, wo Menschen enger aufeinander wohnen.
Über die Musik hatte ich in den letzten Tagen schon mal geschrieben. Ist aber auf jeden Fall wieder eine Erwähnung wert. Wenn an verschiedenen Stellen Menschen ihr Instrument nehmen und etwas spielen, dann hat das eine verbreitende und wie ich finde positive Wirkung. Damit meine ich nicht nur das Musizieren vom Kirchturm. Da sind Töne im Dorf zu hören, die hätten in unserem ‚normalen Alltag‘ kaum eine Chance gehört zu werden. Mich hat es in der Tat sehr gefreut, als mir kürzlich ein Freund eine Nachricht schrieb, dass es „etwas Beruhigendes hat“, wenn wir allabendlich ‚Der Mond ist aufgegangen‘ spielen.
Wie viele jetzt bereit sind, anderen zu helfen. Auf ganz verschiedene Weisen. Manche entdecken dabei vielleicht an sich selbst eine neue Seite. Sehr positiv wirkt sich dabei die Tatsache aus, dass viele jetzt mehr Zeit haben. Der Umstand, dass im Moment viele keine Arbeit haben ist natürlich sehr betrüblich und es ist zu hoffen, dass es möglichst wenige Verlierer in dieser herausfordernden Zeit gibt. Und ich will diese Tatsache der ‚Mehr-Zeit‘ auch nicht einfach schönreden.
Eine meiner Hoffnungen, die sich in diesen Tagen der Krise nährt, ist, dass wir achtsamer mit unserer Zeit und mit unseren Entscheidungen, was wir tun und lassen, umgehen. Dass wir unsere Fortschrittsgläubigkeit überwinden und Zufriedenheit praktizieren. Dass wir unsere längst gewonnene Einsicht, dass wir nicht die Krönung der Schöpfung sind (ganz im Gegenteil!), endlich umsetzen und uns einordnen in die Vielfalt der Schöpfung. Dass wir nicht mehr die Verrohung der Sprache und die Lügen populistischer Politiker (z.B. durch AfD und D. Trump) und eine damit einhergehende ‚Vergiftung‘ unseres sozialen Gefüges hinnehmen, sondern aufstehen und entschlossen dazu Stellung nehmen. Dass wir uns Zeit nehmen – für uns, für beten und meditieren, für Gespräche, für das Mitfühlen mit anderen, für die Bereitschaft zu helfen – für all das, was uns in der jetzigen Zeit guttut.
Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Galater 6, 2
Der Aufruf einer Kollegin, die in einem Altenpflegeheim arbeitet, Schutzmasken zu nähen, wird sofort in einem erfreulichen Maß von hilfsbereiten Mitarbeitenden unserer Gemeinde umgesetzt. In manch anderen Bereichen wird kollektiv überlegt, wie Versorgungsengpässe – gerade im medizinischen Bereich, auch wenn die Möglichkeiten da begrenzt, weil die Vorschriften sehr speziell sind – auf anderem Wege als die üblichen gelöst werden können.
Auch die Bereitschaft in der Bevölkerung steigt, dass wir auf Abstand bleiben müssen, auch wenn es schwer fällt. Die Einsicht, dass die größte Ansteckungsgefahr durch zu große Nähe besteht, wir zunehmend umgesetzt und somit andere geschützt.
So richtig zum Freuen ist deshalb aber immer noch nicht alles. Das geht mir genauso. Und wir dürfen vor allem all diejenigen nicht vergessen, bei denen die Zukunft wirklich gefährdet ist und nicht klar ist, was morgen sein wird.
Wo es uns möglich ist, wollen wir mit Phantasie und Mut Last bei anderen wegnehmen.
Bleibt behütet, Gott segne uns. Traugott Stein, Pfr.
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Kirche auf Tauchstation!?
Liebe Gemeinde,
nein, das soll keine Scherzfrage am 1. April sein. Es gibt inzwischen Kritik, dass alles zugemacht wird in der Kirche. Wir würden uns hinter behördlichen Anordnungen verstecken und Gemeinde zurück bzw. im Stich lassen.
Meine große Hoffnung ist, dass das nicht so ist. Und ich persönlich erlebe das auch nicht so. Es gehört nun mal zu unserer Kernkompetenz, Gemeinschaft zu leben und Nähe zu den Menschen zu praktizieren. Aber derzeit ist genau dies der falsche Weg. Schutz und Verantwortung für andere heißt jetzt, dass wir uns verbunden wissen mit der nötigen Distanz. Dass wir jetzt die Tage, Wochen evtl. Monate aushalten müssen, in denen wir auf Abstand bleiben. Das läuft tatsächlich unserem Grundgedanken von „Menschen brauchen Menschen“ – und das mit einem hohen Maß an physischer Nähe – zuwider.
Genau da sind wir als Gemeinde alle gefordert - ich als Pfarrer natürlich auch, vielleicht sogar in besonderem Maße. In diesen Tagen gibt es vieles, was neu organisiert und koordiniert werden muss. Gemeinde zu leben, ohne sich zu treffen, ist eine große Herausforderung für uns alle. Und wird in der kommenden Zeit bei wahrscheinlich weiter einschränkenden Maßnahmen noch herausfordernder.
Wenn Sie diese Andacht direkt auf der Homepage lesen können, dann haben wir schon etwas bzw. jemanden erreicht. Wenn Sie die Andacht ausgedruckt auf Papier gerade lesen, dann haben Sie vorher den Weg zur Kirche gefunden oder ein lieber Mensch hat Sie Ihnen in den Briefkasten geworfen.
Es liegt in diesen Tagen sehr stark an uns allen, wie wir Kirche leben und inwieweit sich unsere Gemeinschaft bewährt.
In Ängsten – und siehe wir leben Motto des Kirchentags 1975
Ja, wir leben! Und unsere ‚Lebendigkeit‘ gilt es auf verschiedene Weise jetzt mit anderen zu teilen. Telefon, Briefe oder auf digitalem Wege mit anderen in Verbindung bleiben. Das ist ganz wichtig in diesen Tagen. Wir brauchen gegenseitige ‚Lebenszeichen‘. Da können wir uns unsere Ängste und Sorgen nennen und wir können uns Mut zusprechen und bei anderen Freude verbreiten.
So bleiben wir in unserem Glauben und so bleiben wir als Gemeinde lebendig – und tauchen nicht ab.
Bleibt behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfr.
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Gottesdienst
Ihr Lieben,
„Stimmt es, dass jetzt alle Gottesdienste ausfallen? Und Ostern auch!?“ so hat sich eine Anruferin vor ein paar Tagen erstaunt geäußert. Und die Sätze klangen eher wie Vorwürfe als Fragen. Ich muss sagen, das ist auch für mich schwer vorstellbar bzw. schwer auszuhalten. „Kirche ohne Gottesdienst – das geht doch nicht.“
Aber was ist Gottesdienst eigentlich? Ist das ‚nur‘ Singen, Beten, Predigt? Und das auch nur sonntagmorgens?
Nein – das ist es nicht. Wir sind nur in unseren Vorstellungen so reduziert. Und wenn wir an Kirche denken, dann spielt diese Veranstaltung, die in den meisten Kirchengemeinden an Sonntagvormittagen stattfindet, eine zentrale Rolle. Das hat (leider!) auch viel mit schlechtem Gewissen zu tun, das Menschen von klein auf eingeredet worden ist. Der Gang zum Gottesdienst hatte häufig mit Zwang und Druck zu tun. Die Erfüllung einer Form, eines „Werkes“, das nur erfüllt werden muss, und dadurch hat man dann angeblich etwas ‚Gutes‘ getan. Die innere Haltung schien dabei nicht entscheidend, nur die physische Anwesenheit.
Wir versuchen unseren KonfirmandInnen eine eigene Entscheidungsfreiheit einzuräumen, wenn wir ihnen vorgeben, dass wenn sie sich ‚freiwillig‘ zur Konfirmandenarbeit entschieden haben, zweimal im Monat einen Gottesdienst aufzusuchen. Wann und wo, das entscheiden sie.
Die Frage „Was Gottesdienst ist?“ ist damit aber immer noch nicht beantwortet.
Gottesdienst ist natürlich mehr als das Absitzen dieser Stunde. Gottesdienst ist Gemeinschaft - ist sich Begegnen mit anderen - ist bewusstes Begegnen mit dem Göttlichen - ist, das eigene Handeln ebenso in Frage stellen wie auch bestärken lassen - ist Ermutigung und Kritik - ist Feier und Segnung. Es ist Gottes-Dienst an uns und es ist unser Dienst an Gott. und das geschieht eben nicht nur am Sonntagmorgen.
Liebe Brüder und Schwestern, stellt euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung. Seid ein lebendiges Opfer, das Gott dargebracht wird und ihm gefällt. Ihm auf diese Weise zu dienen ist der wahre Gottesdienst und die angemessene Antwort auf seine Liebe…Wer Bedürftige unterstützt, soll das gerecht und unparteiisch tun…Wer sich um Menschen in Not kümmert, der soll es gerne tun…Freut euch mit den Fröhlichen! Weint aber auch mit den Trauernden! Römerbrief, Kap. 12
Das ist Gottesdienst – und das gilt von Montag bis Sonntag.
Unser ganzes Leben Gottesdienst. „Oha!“, denk ich da erst mal. Alles Gottesdienst? Ein echt hoher Anspruch. Aber dann merke ich, dass das ein schöner Gedanke ist. Der macht mich nachdenklich. Was sollte ich besser tun, was lassen? Auf jeden Fall sollte ich nicht gedankenlos in den Tag stolpern.
Dankbar kann ich sein und das kann ich Gott auch sagen – täglich. Und ich kann in diesen Tagen die vielen Menschen bedenken, die Hilfe brauchen. Vielleicht ist das Hilfe in der Nachbarschaft, aber genauso das Nicht-Vergessen all der Menschen z.B. an der türkisch-griechischen Grenze oder in den Flüchtlingslagern in Libyen, in denen oft menschenverachtende Zustände herrschen.
Und wenn ich dann die Gesichter der Kinder sehe, die dort jetzt leben müssen, dann tritt unsere „Krise“ ganz weit in den Hintergrund und ich werde still - und bete.
Bleibt behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Andere Zeit
Liebe Gemeinde,
was machen Sie jetzt mit Ihrer Zeit? Und mich interessiert sehr, was machen Sie anders? Vielleicht werden wir in ein paar Wochen, in ein paar Monaten uns Zeit nehmen und uns erzählen. Erzählen, was wir in diesen Wochen von Einschränkung, Zurückhaltung, Ausgangsbeschränkung, was wir in dieser ‚anderen‘ Zeit gelassen und gemacht haben – und, was diese Zeit mit uns gemacht hat.
Es gibt in Hamburg einen Verein mit Namen ‚Andere Zeiten‘. Im Leitbild dieses ökumenisch orientierten Vereins heißt es sinngemäß, dass er den Menschen die Besonderheit, Wichtigkeit und Schönheit der Sonn- und Feiertage durch Texte, Bilder, Kalender nahebringen möchte. Ich selbst hab‘ die Arbeit dieses Vereins durch den Adventskalender ‚Der Andere Advent‘, der jährlich erscheint, kennengelernt. Die Veröffentlichungen bieten sich nicht nur für einen selbst, sondern auch sehr gut als Geschenk an. Wunderschöne Bilder und immer wieder gute, sehr ansprechende Texte erreichen das, was der Verein will: Sonn- und Feiertage sind keine All-Tage. Und gerade auch Zeiten wie der Advent oder Fastenzeiten bieten gute Möglichkeiten, das eigene Leben zu überdenken und ‚anders‘ zu leben.
Wir sind ja zurzeit in der Passions- in der Fastenzeit. Wenn auch für viele von uns nicht freiwillig, so machen wir gerade das, was Fasten eigentlich für uns will: zur Ruhe kommen, innehalten und hinschauen, das eigene Handeln überdenken und entstehenden Freiraum mit Neuem füllen.
Diese Tage machen uns demütig, werfen uns zurück auf Wesentliches. Und meine große Hoffnung ist, dass sie uns trotz vermeintlicher Einschränkungen DANKBAR machen – und das nachhaltig.
„Behutsam leise nimmst du fort
die Dämmrung von der Erde,
sprichst jeden Morgen neu dein Wort:
Es werde, es werde!
Es werde Licht an diesem Morgen,
in dem das Alte neu erstrahlt,
erscheinen wird, was noch verborgen,
in Farben bunt das Leben malt.
Es werde Licht für die Menschen in jedem Land.
Halt über uns deine segnende Hand. (Raymund Weber)
Der Text ist aus einem der vielen schönen Lieder in dem neuen Beiheft „EGplus“ zum Kirchengesangbuch. Auf die Stimme Gottes hören und Neues zulassen – das fällt uns im Alltagsgeschäft schwer. Ich bin sicher, dass Sie in diesen Wochen so manches NEU sehen und hören und manches NEUE sehen und hören. Heute an diesem sonnigen, kalten, klaren Morgen, da können wir das Leben mit all seinen ‚bunten Farben‘, mit der ganzen Gefühlspalette und den vielen Facetten von Lebensgestaltung sehen. Das ist uns alles geschenkt. Und in ganz vielen Momenten unserer Lebens-Zeit, entscheiden wir, ob etwas und was ‚anders‘ werden kann.
Ich wünsche und bete für uns, dass Gott uns „die Ohren, die hören und Augen, die sehen und ein weites Herz, andere zu verstehen“ gibt, dass die derzeitige ‚andere Zeit‘ eine sinnerfüllte Zeit für uns wird.
Bleiben Sie behütet, Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfarrer
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Gebet und Singen
Ihr Lieben,
das war eine bemerkenswerte Geste vom Papst gestern auf dem Petersplatz in Rom. Ohne Gläubige vor Ort, aber sicher Millionen, die es erreicht hat. Mich auch. Sein Gebet, den Wortlaut hab‘ ich leider noch nicht gefunden, hat mir sehr gut gefallen. „Deine Erde, die du, Gott, viel mehr liebst als wir“ hat er gesagt. Und dann hat er unsere von Gier und Rücksichtslosigkeit geprägte Haltung gegenüber dem Planeten, auf und von dem wir leben im Gebet vor Gott gebracht.
Es geht ihm um Schuld und Vergebung. Das ist sicher richtig und nötig. Wenn ich jetzt täglich allein in der Kirche bin und bete, hat das zum einen natürlich keine direkte Außenwirkung. Darum geht es auch nicht. Zum anderen geht es mir im Gebet mit Gott darum, dass wir zur Einsicht kommen: Konsequent handeln, Rückschritte wagen, unseren tiefverwurzelten Egoismus aufbrechen, unser persönliches Wohlergehen, das sicherlich sehr wichtig ist, hinter das der anderen stellen, verstehen, dass wir NUR ein Teil dieser Erde sind – nicht weniger, aber vor allem nicht mehr.
Die Corona-Herausforderung macht uns so manches klar. Eines auf jeden Fall auch: wir sind alle gleich. Die Pandemie verbreitet sich über die gesamte Welt und das Virus kann jeden befallen. Alte, Junge, Regierende, Unterdrückte, Wohlhabende, Obdachlose, Stars, Unberührbare usw. usw.
Am Monatsende will ich nochmal ‚zurückschauen‘ auf den Monatsspruch für März:
Jesus Christus spricht: Wachet! Markus Evangelium, Kap. 13, 37
Diese Aufforderung nimmt keinen aus und geht an jede/n. Und das Gute zurzeit ist, dass wir Zeit dafür haben. Wachet – das heißt auch beten, heißt hinhören, was an Stimme in uns deutlich werden kann. Das heißt auch, sich selbst betrachten und das eigene Handeln reflektieren. Und wir sehen dann auch mehr auf das, was mit uns ‚gemacht‘ wird. Wo wir uns leiten lassen von Interessen anderer und in uns falsch gesteuerte Bedürfnisse erkennen.
Wissen Sie, was mir in diesen Tagen guttut. Zu singen! Gitarre spielen und lauthals dazu zu singen. Jetzt habe ich die schöne Möglichkeit, dass hier bei uns in der Kirche zu machen. Macht mir großen Spaß. Bei all den guten und gutgemeinten Tipps für diese Tage war das ein sehr schöner: Machen Sie mal wieder das, was Ihnen großen Spaß bereitet. Genau. Es ist ja – vielleicht nicht für alle – im Moment auch ‚geschenkte Zeit‘. Und die gilt es positiv zu füllen.
Da fällt mir gerade ein, dass hoffentlich eine sinnvolle sprachliche Veränderung für die nach-Corona-Zeit (die es medizinisch nicht geben wird) eintreten wird: Die Rede vom sogenannten „gebrauchten Tag“ muss verschwinden. Diese Formulierung soll zum Ausdruck bringen, dass an einem bestimmten Tag etwas nicht so gelaufen ist, wie erhofft. Da passt der Aufruf „Wachet!“ auch sehr gut. „Gebrauchter Tag“ – da wird die uns geschenkte Zeit zur Ware, die wir eben mal so verachtend, weil enttäuscht in die Ecke unserer (Miss-)Erfolge werfen könnten.
Nein, im Gegenteil: wir können lernen aus dem, was nicht so lief, wie gewünscht und die Zeit dankbar annehmen; eben auch das, was ‚schlecht‘ war. Und damit bin ich wieder beim Papst. Vergebung setzt immer auch Buße voraus. Die Einsicht, falsch gehandelt zu haben und den Willen, die Zukunft auch durch das eigene Handeln besser zu gestalten.
Dazu passt ein Lied, das ich zurzeit gerne (in der Kirche, aber nicht nur da) singe:
Gott,
du bist die Hoffnung, wo Leben verdorrt,
auf steinigem Grund wachse in mir.
Sei keimender Same, sei sicherer Ort,
treib Knospen und blühe in mir.
Und ein neuer Morgen bricht auf dieser Erde
an in einem neuen Tag: blühe in mir.
Halte mich geborgen fest in deiner starken Hand
und segne mich,
segne mich und deine Erde. (Gregor Linßen)
Bleiben Sie wachsam und behütet. Gott segne uns.
Traugott Stein, Pfr.
Evtl. lebt jemand in der Nachbarschaft, die/der das auch gerne täglich lesen würde. Vielleicht können Sie die Andacht ausdrucken und verteilen. Danke!
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Tägliche Andacht 27.3.2020
Zwischen Angst und Hoffnung
Neben aller Dramatik, die die momentane Situation mit sich bringt, sehe ich auch eine Chance, die vielen von uns gerade geschenkt wird. Ein bisschen mehr Stille und Zeit ohne all die Ablenkungen.
Weniger Events, weniger Kontakte, weniger Konsum. Das ist nicht leicht und immer wieder fühlt es sich auch leer und beängstigend an, so auf sich zurück geworfen zu sein.
Was hören wir, wenn die Welt plötzlich stiller wird? Wenn weniger Autos fahren, weniger Flugzeuge fliegen, weniger Stimmen um uns sind?
Ich denke, wir sind eingeladen hin zu lauschen….nachzuspüren...und das ist bestimmt nicht nur leicht, was dann auf einmal hörbar wird.
Ich spüre in dieser Zeit besonders die Fragilität von allem, von unserem Gesundheits- und Wirtschaftssystem, aber auch von uns selbst. Trotz all unserer Errungenschaften erleben wir, dass wir nicht alles unter Kontrolle haben und, dass unser Leben auf dieser Erde begrenzt ist.
Und diese Grenze macht Angst. Aber wir sind ihr nicht schutzlos ausgeliefert, und deshalb müssen wir unsere tiefste Angst nicht unterdrücken, sie überspielen, vor ihr davon laufen, uns permanent vor ihr ablenken….weder in Zeiten von Corona, noch danach. Sondern wir dürfen sie da sein lassen, sie in unser Gebet legen und sie vor Gott bringen. Und ich glaube daran, dass sich unsere tiefste Angst um uns und unsere Liebsten im Gebet immer wieder auch transformieren kann…
in Wachheit und Mitmenschlichkeit.
Gnädiger Gott.
In der Stille stehen wir vor dir mit allem, was uns das Herz schwer macht.
Sei uns nahe in dieser schweren Zeit und öffne unser Herz für unsere Mitmenschen.
Wir bitten dich für alle Ärztinnen und Pfleger in den Krankenhäusern, für alle traurigen und alten Menschen und für all diejenigen Menschen, die an der türkisch-griechischen Grenze ausharren müssen und die nicht Zuhause bleiben können, weil sie kein Zuhause haben.
Amen.
Bleibt gesund und behütet.
Herzliche Grüße, Ronja Vinzent